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Koch und Kellner: Staatschef Erdogan, Premier Yıldırım .

Foto: AP / Burhan Ozbilici

Ankara/Washington – Der Hausherr ist nicht zu Hause, sondern auf Asienreise mit seinem Außenminister. Aber das – so trösten sich politische Beobachter in Ankara, die der türkischen Führung nahestehen – ist im Grunde auch schon nicht mehr wichtig. Der Besuch des türkischen Premiers in Washington diese Woche wird trotzdem abgewickelt, und Binali Yıldırım wird immerhin Donald Trumps Stellvertreter Mike Pence sehen. Der US-Vizepräsident sei schließlich einer der wenigen, der in der Lage ist, Einfluss auf Trump zu nehmen, erklärt ein Kolumnist in einem der türkischen Regierungsblätter.

Auf dem Tiefpunkt der Beziehungen zwischen den USA und der Türkei – tiefer noch als Anfang der 1970er-Jahre, als Washington Sanktionen wegen des Opiumanbaus in der Türkei und der Invasion auf Zypern ergriffen hatte – geht Yıldırım nun auf Erkundungsmission für seinen Staatschef. Die Rollen sind verteilt: Premier Yıldırım ist der gewiefte Geschäftsmann, Präsident Tayyip Erdogan der Antreiber.

Noch am vergangenen Wochenende drohte der türkische Präsident erstmals mit dem Bombardement amerikanischer Militärberater in Syrien und im Nordirak. "Für uns ist jeder, der mit Terroristen zusammen ist, ein Terrorist", rief Erdogan bei einer Rede in der Provinz aus. Alle "Terroristenlager", die das türkische Militär in Syrien und im Irak ausmache, würden zerstört. "Diejenigen, die dort etwas zu verbergen haben, sollten Vorkehrungen treffen", warnte der türkische Präsident die Amerikaner.

Das Öcalan-Porträt

Seit die von den USA militärisch unterstützte Kurdenmiliz YPG in Syrien bei der Siegesfeier nach der Einnahme der Stadt Raqqa vor zwei Wochen ein enormes Porträt des PKK-Gründers Abdullah Öcalan ausrollte, sieht sich die türkische Führung in ihrem immer wieder erhobenen Vorwurf bestätigt: Der Natoverbündete Washington macht gemeinsame Sache mit der PKK, der Arbeiterpartei Kurdistans, die gegen den türkischen Staat kämpft und offiziell auch von den USA als Terrororganisation eingestuft wird.

Die Liste der Streitpunkte zwischen Ankara und Washington ist im Lauf der vergangenen Monate lang geworden. Offen ist, ob nun PKK und YPG das drängendste Thema bei Yıldırım s Gesprächen sind oder aber der Prozess gegen einen iranisch-türkischen Goldhändler und einen Manager der staatlichen türkischen Halkbank, der Ende dieses Monats in New York beginnt. Dort geht es um Schmiergeld und ein milliardenschweres Betrugssystem zur Umgehung von US-Sanktionen gegen den Iran und mithilfe der Türkei. Erdogan habe davon gewusst, so soll Reza Zarrab, der Goldhändler, bereits angegeben haben.

Für den türkischen Präsidenten muss der Fall so brisant sein, dass er in Gesprächen mit Trump und dessen Vorgänger Barak Obama immer wieder auf Zarrabs Freilassung drängte. Ohne Erfolg.

Ebenso verhält es sich mit der Auslieferung von Fethullah Gülen, Erdogans einstigen politischen Verbündeten. Ankara macht den in Pennsylvania lebenden Prediger für den Putsch vom Juli 2016 verantwortlich. Die bisher vorgelegten Belege fanden Justiz- und Außenministerium in Washington offenbar nicht ausreichend. Ein Dutzend Amerikaner sitzt dafür mittlerweile wegen Terrorvorwürfen in türkischen Gefängnissen – darunter ein Pastor – aber auch zwei türkische Mitarbeiter von US-Konsulaten.

Der Stopp der Visavergabe in der Türkei, den Washington daraufhin verhängte, wurde am Montag gelockert. Yildirim nahm das als gutes Vorzeichen. Vor seinem Abflug am Dienstag stellte er allerdings schlicht in Abrede, was die US-Botschaft in Ankara als Begründung für ihren Schritt angab: Dass die türkische Führung den Amerikanern eine Zusicherung gegeben habe, keine weiteren Mitarbeiter mehr zu verhaften. (Markus Bernath, 7.11.2017)