Dicke Kinder haben ein hohes Risiko, übergewichtige Erwachsene zu werden.

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Wien – Fast jeder dritte Drittklässler und jede vierte Drittklässlerin in österreichischen Volksschulen sind übergewichtig. Das zeigen Daten der ersten Österreicherhebung im Rahmen der Childhood Obesity Surveillance Initiative (Cosi) des Europabüros der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die am Dienstag im Gesundheitsministerium in Wien vorgestellt wurden.

Fast jedes dritte Volksschulkind in Österreich leidet, gemäß einer neuen Studie des Gesundheitsministeriums, an Übergewicht. Buben sind häufiger betroffen als Mädchen. Auffällig sind außerdem regionale Unterschiede.
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Die Erhebung unter insgesamt 2.510 Mädchen und Buben im Alter von sieben bis knapp zehn Jahren aus 97 Volksschulen in ganz Österreich zeigte regionale Unterschiede auf. So ergab sie bei den Mädchen ein deutliches ein Ost-West-Gefälle: Demnach sind im Westen knapp 21 Prozent der Mädchen übergewichtig bis hin zu extrem adipös, im Osten sind es insgesamt 29 Prozent, im Süden rund ein Viertel.

Bei den Buben ergaben die Gesamtzahlen geografisch betrachtet kaum Unterschiede, sehr wohl auffällig ist aber das Aufkommen der extrem adipösen Buben: Es liegt im Süden mit 5,3 Prozent deutlich höher als im Westen und Osten mit 3,7 beziehungsweise 3,6 Prozent.

Viel Fleisch und viel Zucker sind für das Übergewicht verantwortlich.
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Regionale Unterschiede

"Im Süden Österreichs sind schon besonders viele Buben ganz stark übergewichtig", sagt Daniel Weghuber von der Universität Salzburg, der die Ergebnisse am Dienstag präsentierte. "Der Anteil nimmt weiter zu, wie regionale Erhebungen zeigen." Demnach ergaben die Ernährungsberichte aus den Jahren 2008 und 2012 damals einen Anstieg des Anteils der übergewichtigen Sieben- bis 14-Jährigen von elf auf 17 Prozent.

Übergewichtige Kinder haben ein erhöhtes Risiko, an Diabetes, Lebererkrankungen und psychischen Problemen wegen Stigmatisierung zu leiden. Außerdem ist die Gefahr, dass sie übergewichtige Erwachsene werden, groß.

Die aktuelle Studie zeigt auch auf, welche Faktoren Übergewicht und Adipositas fördern. Demnach ist das Vorhandensein eines Turnsaals in einer Schule von großer Bedeutung. "Gibt es keinen Turnsaal, erhöht das die Wahrscheinlichkeit für Adipositas um 80 Prozent", erläutert Weghuber.

Gemüseangebot als Faktor

Auch das Anbieten von Gemüse in der Schule ist ein entscheidender Faktor, was Kinder- und Jugendfacharzt Weghuber, der auch Präsident der Adipositas-Gesellschaft ist, nach eigenen Angaben überraschte: Ist es nicht verfügbar, erhöht das demnach die Wahrscheinlichkeit für Adipositas um 50 Prozent, bei kostenpflichtigem Angebot erhöht sich die Fettleibigkeitsgefahr um 30 Prozent im Vergleich zu Schulen, wo Gemüse gratis zur Verfügung steht.

Wer im ländlichen Bereich lebt, weist zudem eine geringere Wahrscheinlichkeit für Adipositas auf als jemand im halbstädtischen Bereich beziehungsweise insbesondere als jemand, der im urbanen Raum wohnt. Außerdem sind nur halb so viele Mädchen wie Buben adipös.

Österreich erstmals dabei

Die WHO-Studie Cosi, für die inzwischen in 35 Ländern miteinander vergleichbare Daten zum Übergewicht von Volksschülern erhoben wurden, begann vor zehn Jahren mit den ersten Erhebungen. Österreich war heuer das erste Mal dabei. "Das ist ein wichtiger Meilenstein", sagte Weghuber.

Zahlen bei Erwachsenen stagnieren

Der Österreichische Ernährungsbericht 2017, der am Dienstag ebenfalls präsentiert wurde, ergab bei den Erwachsenen in Sachen Übergewicht und Fettleibigkeit nur leichte Veränderungen im Vergleich zu 2012. "Allerdings stagnieren die Zahlen auf hohem Niveau", sagt Jürgen König, Leiter des Departments für Ernährungswissenschaften der Universität Wien. Laut dem 2017er-Bericht sind 41 Prozent der Erwachsenen übergewichtig oder adipös, Männer mehr als Frauen. Mit dem Alter steigt auch das Übergewicht.

"Wenn die Entwicklungen bei den Kindern so weitergehen, wie wir nun beobachten, dann wird es bei den Erwachsenen auch nicht bei diesen Zahlen bleiben", ist Weghuber überzeugt. Er fordert, alle in Österreich bisher laufenden Anstrengungen gegen Übergewicht zu bündeln und einen Nationalen Aktionsplan zu erarbeiten und zu etablieren. Es gebe Positivbeispiele wie etwa Finnland, wo Maßnahmen bereits gegriffen hätten. (Gudrun Springer, 7.11.2017)