Ohne Titel aus Clemens Krauss' Serie "Schlafende Hunde" (2017).

Foto: Matthias Bildstein

Jeder therapeutische Prozess basiert in einem nicht geringen Maße auf Intuition und kreativem Handeln in der Gegenwart", heißt es im Buch Der Therapeut als Künstler des deutschen Neurologen, Psychiaters und Psychotherapeuten Peter Petersen.

In seinem neuesten Projekt hat Clemens Krauss (geb. 1981 in Graz) das kreative Handeln des Therapeuten sehr wörtlich genommen. Krauss, der in der Ausbildung zum Psychotherapeuten den Link zwischen seinem Kunst- und Medizinstudium sah, bittet seit Mitte Oktober fünf Wochen lang in der Wiener Galerie Crone Freiwillige auf die Couch. Geheim. Anonym. Nach anfänglicher Skepsis, ob das Gratisangebot denn genug Resonanz finden würde, konnte sich die Galerie vor Therapiehungrigen kaum retten.

Träume und Traumata

Eine für den Besucher unsichtbare "Performance"? Nein, vielmehr sind die therapeutischen Sitzungen nur ein Teil der Ausstellung Nichtwissen. Denn die zunächst eher spärlich mit künstlerischen Arbeiten ausgestattete Galerie füllt sich erst nach und nach mit Gemälden, die als direkte Konsequenz der gewonnenen Eindrücke, der offenbarten Empfindungen, der Träume und Traumata entstehen.

Krauss übersetzt die Ahnung dessen, was nicht gesagt werden kann, das "Nichtwissen" der Patienten in Bilder, Gleichnisse und Symbole, in "Anschauungsmaterial des Inneren der Seele". Der Patient dient also seiner Inspiration. Er ist die Muse auf der Couch. Irgendwie befremdlich.

Verletzlichkeit des Einzelnen

Klar ist der Seelenstriptease interessant für Krauss, der in seiner Arbeit mit der Verletzlichkeit des Einzelnen befasst ist: Menschenkörper legt er in pastoser Technik in Vitrinen, auf Bilder und Wände; die Haut, Spiegel des Inneren, streifte er in Latexform ab.

Ob sein Tun aus therapeutischer Sicht wirklich verantwortungsvoll ist? Verwundbare Punkte umkreisen, Schlafende Hunde wecken, schwarze Schafe (alles in Öl transformiert) aufspüren und dann die Kurzzeitklienten zurück ins Leben entlassen? Ach, schadet doch nicht!? Wer kann da sicher sein? (Anne Katrin Feßler, 6.11.2017)