Die Wählerinnen und Wähler haben entschieden. Die ÖVP wurde zur stimmen- und mandatsstärksten Partei Österreichs gewählt. Derzeit werden zwischen ÖVP und FPÖ Koalitionsgespräche geführt. Aber noch bevor diese Gespräche begonnen hatten, sind bereits Details über eine mögliche Verteilung der Ressorts zwischen ÖVP und FPÖ an die Öffentlichkeit gedrungen. Und diese Informationen geben Anlass zu großer Besorgnis.

Sebastian Kurz scheint gewillt, Schlüsselministerien wie das Innenministerium, das Außenamt und das Justizressort in den Koalitionsverhandlungen zur Disposition stellen zu wollen. Und das, obwohl die FPÖ, die 21 Burschenschafter aus schlagenden Verbindungen ins Parlament entsenden will, mit ihrem nationalistischen Kurs an der Zerstörung des europäischen Friedensprojekts "Europäische Union" festhält.

Die Forderung dieser Partei, unser Land solle aus der Europäischen Menschenrechtskonvention austreten, die Österreich am 3. September 1958 ratifiziert hat, beschädigt das Ansehen, das Vertrauen und die Berechenbarkeit Österreichs als verlässlicher Partner der EU-Gemeinschaft. Wir weisen darauf hin, dass im Vertrag über die Europäische Union im Artikel 2 die europäischen Werte und die Menschenrechte enthalten sind. Wir zitieren kurz aus dem Bundesgesetzblatt 132/9:

"Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet."

Das soll in Österreich nicht mehr so gelten? Eine Ablehnung der Menschenrechtskonvention würde letztlich einer Ablehnung des Europäischen Vertrags gleichkommen, der verbindlich für alle Mitgliedstaaten am 1. Dezember 2009 in Kraft getreten ist.

Beamtenloyalität

Unser Land konnte sich seit den ersten Nationalratswahlen im November 1945 auf die unverbrüchliche Loyalität seiner Beamtinnen und Beamten verlassen, gerade auch in den schwierigen Zeiten der alliierten Besatzung bis 1955. Sie alle dienten in erster Linie der Republik, egal, aus welcher Partei sie kamen. Dieses Prinzip könnte jetzt ins Wanken geraten. Die innere Sicherheit sowie die Außenpolitik in die Hände der FPÖ legen zu wollen erinnert an den verheerenden Entschluss der Trojaner, das hölzerne Pferd in ihre Mauern zu ziehen. Ebenso unverantwortlich, ja fatal wäre es, das Justizressort zur Disposition zu stellen.

Österreichs innere Sicherheit, Österreichs Außenpolitik und auch Österreichs Justiz sind jene Schlüsselministerien, die unseres Erachtens vom Wahlsieger nicht an eine Partei abgetreten werden dürfen, die im Europäischen Parlament mit Le Pen, Wilders und Teilen der AfD kooperiert, um die EU zu zerstören. Wir fordern die Öffentlichkeit auf, dem derzeit weichgespülten Auftreten der FPÖ keinen Glauben zu schenken. Und wir appellieren an Bundesparteiobmann Sebastian Kurz, davon Abstand zu nehmen, sensible Ministerien wie das Innen-, das Außen- oder das Justizministerium der FPÖ zu überlassen. Im Interesse unserer Heimat. (2.11.2017)