Ein Screenshot der Facebook-Seite "Die Wahrheit über Christian Kern": Der Urheber will rein aus "Eigeninitiative" gehandelt haben.

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Im Wahlkampf ging es um die Seiten "Wir für Sebastian Kurz", "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" und "Die Wahrheit über Christian Kern". Diese Fake-Seiten rückten die Spitzenkandidaten von ÖVP und SPÖ während des Wahlkampfs immer wieder in schlechtes Licht, teils mit rassistischen und antisemitischen Inhalten.

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Wien – Die Nationalratswahl ist geschlagen, der Wahlkampf beschäftigt weiter die Justiz. Die Staatsanwaltschaft Wien konnte nun im Zusammenhang mit der Dirty-Campaigning-Affäre um negative Facebook-Seiten bei Facebook die Administratoren der umstrittenen Online-Auftritte ausforschen.

Dabei ging es um die Seiten "Wir für Sebastian Kurz", "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" und "Die Wahrheit über Christian Kern". Diese Fake-Seiten rückten die Spitzenkandidaten von ÖVP und SPÖ während des Wahlkampfs immer wieder in schlechtes Licht, teils mit rassistischen und antisemitischen Inhalten. Im Fall der Facebook-Seiten gegen Kurz wurde zwei Wochen vor der Wahl bekannt, dass diese vom früheren SPÖ-Berater Tal Silberstein in Auftrag gegeben wurden. Produziert wurden sie von der Agentur seines Kompagnons Peter Puller. Dieser wurde nun – wenig überraschend – auch offiziell von der Staatsanwaltschaft als Administrator der beiden Seiten ausgeforscht.

"Kalte Füße"

Der Urheber der Facebook-Seite "Die Wahrheit über Christian Kern" war bisher nicht bekannt. Auch er konnte von den Behörden ermittelt werden. Es handelt sich dabei um einen ehemaligen niederösterreichischen ÖVP- beziehungsweise ÖAAB-Funktionär, der zuletzt als freier Mitarbeiter und Social-Media-Experte für die Kommunikationsagentur Milestones tätig war. Die Agentur weist neben zahlreichen Firmen auch die Politische Akademie der ÖVP und den ÖVP-Bauernbund als Referenzkunden aus.

Der ausgeforschte Administrator betont allerdings, dass die Facebook-Seite gegen Kern eine "Eigeninitiative von mir" gewesen sei. Er habe weder von Milestones noch von der ÖVP einen Auftrag dazu erhalten. Er habe die Seite gestartet, weil es ihn geärgert habe, dass im Wahlkampf alle anderen Spitzenkandidaten ihr Fett abbekommen hätten, nur der SPÖ-Chef nicht. Als dann rund um die Silberstein-Affäre und die Facebook-Seiten gegen ÖVP-Chef Kurz auch seine Seite in den Blickpunkt gerückt war, habe er "kalte Füße" bekommen und sie vom Netz genommen. 90 Prozent der von ihm geposteten Inhalte seien auch "nicht übles Licht, sondern Populismus von der anderen Seite" gewesen. Inzwischen tue es ihm leid, wenn manches den Kanzler in ein "schiefes Licht" gerückt habe. "Ich würde es nicht wieder so machen."

Agentur distanziert sich

Bei der Agentur zeigt man sich über die Aktivitäten des Mitarbeiters überrascht. Mit der Facebook-Seite gegen Kern habe man jedenfalls "überhaupt nichts" zu tun, betont Milestones-Geschäftsführer Werner Beninger. Der Mann "war bis vor einer Stunde freier Mitarbeiter bei Milestones – ich habe die Zusammenarbeit mit sofortiger Wirkung beendet", sagte Beninger am Montagnachmittag, nachdem er vom Ö1-"Morgenjournal" und der APA über die Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft informiert worden war. "Ich bin aus allen Wolken gefallen, als ich das gehört habe. Wir würden so einen Schwachsinn als Agentur nie produzieren. Solche Seiten sind nicht nur grenzenlos dumm, sie bringen auch genau gar nichts."

Der Mann hatte laut Beninger für die Agentur als freier Mitarbeiter einzelne Projekt betreut. "Sein letztes Honorar hat er Anfang November 2016 überwiesen bekommen", so der Geschäftsführer. "Er hat hier privat gehandelt – und auch ohne Wissen von irgendjemand anderem in der Agentur, wie ich inzwischen bei meinen Mitarbeitern eruieren konnte."

ÖVP lehnt "solche Methoden entschieden ab"

Die niederösterreichische ÖVP beziehungsweise deren Arbeitnehmerbund ÖAAB ist um Distanz zum Urheber der Facebook-Seite gegen Kern bemüht. "Wir haben mit dieser Person seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr. Seit dem Jahr 2013 ist er auch kein Mitglied mehr", erklärte die niederösterreichische ÖAAB-Landesgeschäftsführerin Sandra Kern in einer Stellungnahme. Und: "Damit verbunden haben wir natürlich auch nichts mit dieser Seite zu tun. Jedenfalls lehnen wir solche Methoden entschieden und deutlich ab."

Sachverhaltsdarstellung

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christoph Matznetter wollte die Zwischenergebnisse der Staatsanwaltschaft nicht kommentieren. Die SPÖ hatte wegen der drei Facebook-Seiten Anfang Oktober eine Sachverhaltsdarstellung an die Behörden übermittelt und in allen drei Fällen wegen übler Nachrede und Beleidigung gegenüber Kern Anzeige gegen unbekannt eingebracht. Kern wurde unter anderem als "Ego-Kanzler", "Mogel-Kanzler", "Schweigekanzler" und "Mimosen-Kanzler" bezeichnet, mit langer Pinocchio-Nase dargestellt und dadurch des unehrenhaften Verhaltens der Lüge bezichtigt und unter Pseudobezeichnungen beziehungsweise Abbildungen als Lügner beschimpft, so der Vorwurf.

Die Staatsanwaltschaft hatte daraufhin ihre Untersuchungen begonnen. Die SPÖ und ihr Chef haben nun zwei Wochen Zeit, um der Staatsanwaltschaft die Ermächtigung zur Verfolgung von Puller sowie des Administrators der Anti-Kern-Seite zu erteilen. Bei strafbaren Handlungen gegen die Ehre wider einen Beamten ist laut Strafgesetzbuch zur Verfolgung des Täters nämlich die Ermächtigung des Verletzten erforderlich. (APA, 31.10.2017)