Traf zu Mittag wieder im Palais Niederösterreich zusammen: die "Steuerungsgruppe" unter ÖVP-Chef Kurz und FPÖ-Chef Strache.

Foto: Matthias Cremer

Wien – Harmonie liegt in der Luft des Wiener Palais Niederösterreich. Spricht Norbert Hofer, lächelt die ÖVP-Generälin freundlich und nickt. Hat Elisabeth Köstinger das Wort, wiegt der blaue Listenzweite grinsend den Kopf, sieht sie an, signalisiert, dass er ihr beipflichtet. Tag zwei der türkis-blauen Koalitionsverhandlungen – und es läuft, so wie es scheint. Zumindest zwischenmenschlich. Köstinger und Hofer informierten nach dem präkoalitionären "Kassasturz" die Presse. Moderiert wurde der zehnminütige Medientermin im Anschluss der Verhandlungen vom Sprecher der ÖVP und dem Sprecher der FPÖ gemeinsam. Alles paritätisch, alles "auf Augenhöhe" – wie der Chef der Freiheitlichen es sich im Vorfeld gewünscht hatte.

Die Koaltionsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ sind jetzt so richtig los gegangen. Erstes großes Thema der so genannten Steuerungsgruppe waren die Finanzen. Experten des Finanzministeriums haben dabei einen Überblick über die einzelnen Ressortbudgets gegeben.
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"Fahrplan" am Freitag

Heinz-Christian Strache selbst und sein türkises Gegenüber, der Wahlsieger Sebastian Kurz, sollen erst am Freitag wieder gemeinsam auftreten. Dafür dann mit einem Budget- "Fahrplan". Die monetäre Bestandsaufnahme konnte am Montag noch nicht abgeschlossen werden. Es hatte sich die türkis-blaue Steuerungsgruppe, bestehend aus jeweils fünf Vertretern von ÖVP und FPÖ, für rund drei Stunden mit zwei sachkundigen Finanzbeamten zusammengesetzt, um den Staatshaushalt zu durchleuchten. Erstes Fazit: "Es gibt ein erhebliches Effizienz- und Einsparungspotenzial", sagt Köstinger. Allerdings: "Keine Budgetlöcher", versichert Hofer. Und: "Wir brauchen mehr Details."

Also soll am Dienstag weiterverhandelt werden und am Donnerstag und Freitag auch, und überhaupt: "Wir werden uns, bis weißer Rauch aufsteigt, noch öfter treffen", erklärte Köstinger im Anschluss an das ergebnisarme erste inhaltliche Regierungsgespräch.

Keinesfalls wollen die möglichen Koalitionspartner aber das Gefühl erwecken, nicht mit Hochdruck zu arbeiten. Deshalb wurde auch verkündet, dass nun die thematischen "Untergruppen" ihre Arbeit aufnehmen. Bei diesen Terminen sollen zwei Vertreter der Volkspartei, zwei Vertreter der FPÖ und zwei Experten miteinander diskutieren und konkrete Themenfelder beackern: Den Bereich "Staat und Gesellschaft" leiten federführend der frühere Rechnungshof-Präsident Josef Moser und der blaue Anwalt Harald Stefan. In insgesamt sieben Fachgruppen wird dieser sogenannte "Cluster" unterteilt: Medien, Justiz, Sport, Kunst und Kultur, Verwaltungsreform und Verfassung, Europa und Außenpolitik sowie Integration.

"Ordnung und Heimatschutz"

Das Thema "Sicherheit, Ordnung und Heimatschutz" enthält mit Innere Sicherheit und Landesverteidigung hingegen nur zwei Spezialgruppen. Hier verhandeln Innenminister Wolfgang Sobotka und der FPÖ-Nationalratsabgeordnete Walter Rosenkranz. Die Fachgruppen zum "Standort" behandeln Finanzen und Steuern, Tourismus, Wirtschaft und Entbürokratisierung, Verkehr und Infrastruktur sowie Energie. Für die ÖVP verhandeln an vorderster Stelle die stellvertretende Parteichefin Bettina Glatz-Kremsner und für die Freiheitlichen Finanzsprecher Hubert Fuchs.

Um "Soziales, Fairness und neue Gerechtigkeit" kümmern sich August Wöginger (ÖVP) und Dagmar Belakowitsch (FPÖ). Die Fachgruppen: Gesundheit, Arbeit, Pensionen, Frauen, Familie und Jugend sowie Soziales und Konsumentenschutz. Das Thema "Zukunft" übernehmen Köstinger und FPÖ-Wirtschaftssprecher Axel Kassegger. Sie stehen fünf Fachgruppen vor: Wissenschaft und Forschung, Digitalisierung und Innovation, Bildung, Umwelt sowie Landwirtschaft und ländlicher Raum.

Offen blieb am Montag, ob in den vergangenen Monaten beschlossene Maßnahmen von der künftigen Regierung zurückgenommen werden könnten. Köstinger meinte dazu ausweichend, man werde sich das einmal anschauen und dann entscheiden. Hofer betonte dann doch noch, dass der Staat Österreich immer noch Schulden mache, die Lage also nicht gänzlich rosig sei. Die aktuellsten verfügbaren Haushaltsdaten vom Oktober zeigten, dass das strukturelle Defizit aus heutiger Sicht um 0,6 Prozentpunkte zu hoch sei. Das würde für 2018 in etwa zwei Milliarden Sparbedarf bedeuten. (Katharina Mittelstaedt, 30.10.2017)