Für einen großen Teil der privaten Haushalte, schlussfolgern die Studienautoren, sei selbst der Erwerb der ersten Immobilie außerhalb ihrer Sparmöglichkeiten.

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Wien – "Für junge Menschen ist Eigentum die beste Maßnahme gegen Altersarmut": So hat Sebastian Kurz im Wahlkampf argumentiert, warum er Immobilienkäufern künftig Geld ersparen will. Für das "erste Eigenheim", so der ÖVP-Plan, sollen bis zu einer Obergrenze von 20.000 Euro alle Gebühren und Steuern entfallen.

Doch sind eigene vier Wände für Menschen, die moderat verdienen und kein Vermögen geerbt haben, überhaupt in Reichweite? Wie lange müssen Bürger sparen, um die dafür nötigen Summen anzuhäufen? Eine neue Studie der Österreichischen Nationalbank (OeNB) bietet Antworten: Aus dem "Household Finance and Consumption Survey" (HFCS), einer detaillierten Vermögensbefragung von 3000 Haushalten, filterten die Experten Pirmin Fessler und Martin Schürz im Detail heraus, wie viel Haushalte hierzulande zur Seite legen (können).

Ungleiches Sparaufkommen

Im Schnitt sparen Privathaushalte 344 Euro pro Monat, das sind 12,2 Prozent des Nettoeinkommens. Doch der Mittelwert hat nur begrenzte Aussagekraft, zumal die Sparquote je nach Verdienst massiv variiert. Wer zum untersten Zehntel gehört, zwackt durchschnittlich nur sieben Prozent des Monatseinkommens ab, im obersten Zehntel beträgt die Quote hingegen 16 Prozent – und das in ganz anderen Dimensionen: Auf die unteren zehn Prozent entfallen lediglich 1,8 Prozent des gesamten Sparaufkommens, auf die oberen 25 Prozent. Während 23 Prozent der Haushalte gar nichts sparen, legen zwei Prozent sogar mehr als die Hälfte des Einkommens auf die hohe Kante.

30 Jahre Sparen reichen nicht

Der Vergleich in Cash: Das oberste Zehntel der Haushalte mit den höchsten Einkommen schafft es, mehr als 10.000 Euro im Jahr zu sparen. Die unteren zehn Prozent, die im Schnitt nur 70 Euro im Monat zur Seite legen, brauchen für den gleichen Betrag zwölf Jahre.

Für den Traum vom Eigenheim lässt sich anhand dieser Zahlen nachrechnen: Wer 500 Euro im Monat spart, was im Schnitt erst ab dem obersten Fünftel der Haushaltseinkommen passiert, kommt bei Verzinsung von einem Prozent in 30 Jahren auf 210.000 Euro – da beginnen etwa die Preise für bezugsfertige Zwei-Zimmer-Wohnungen im für Wiener Verhältnisse nicht rasend teuren Bezirk Ottakring. Bei drei Prozent Zinsen schauen 290.000 Euro heraus.

Nimmt man den Median-Sparbetrag der Haushalte – die eine Hälfte der Beträge liegt darüber, die andere darunter – als Maßstab, ist noch viel mehr Geduld gefragt. 200 Euro im Monat summieren sich bei Zinsen von einem Prozent in 30 Jahren auf 84.000 Euro, Zinsen von drei Prozent bringen 117.000 Euro.

Für einen großen Teil der privaten Haushalte, schlussfolgern die Studienautoren, sei somit selbst der Erwerb der ersten Immobilie außerhalb ihrer Sparmöglichkeiten – "weil die Einkommen zu gering sind". Mit der Höhe derselben wandeln sich denn auch die Motive fürs Sparen. Menschen mit moderatem Einkommen sparen vor allem für "Notsituationen", nur Besserverdiener peilen gezielt den Erwerb eines Hauses oder einer Wohnung an.

Mythos fehlende Sparkultur

Doch liegt es wirklich nur am Geld? Oder fehlt es manchen Gruppen an so etwas wie einer Kultur des Sparens? So könnten höher gebildete Menschen ja weitsichtiger handeln als Ungebildete und deshalb trotz gleichen Einkommens mehr für die Zukunft horten. Auch mag es plausibel klingen, dass Beamte und Bauern eine positivere Einstellung zum Sparen haben könnten als etwa Arbeiter.

Die OeNB-Forscher verneinen diese Thesen allerdings. Bereinige man die Vergleiche um die unterschiedliche Einkommenssituation und andere Faktoren, unterscheide sich die Sparquote weder nach Berufsgruppe noch nach Bildungsstand merklich. "Entscheidend sind letztlich nur die finanziellen Möglichkeiten", sagt Autor Schürz.

Kleine geben mehr aus

Abgesehen von der Eigentumsfrage weisen die Forscher noch auf eine andere politisch relevante Erkenntnis hin: Je höher das Einkommen und damit die Sparquote, desto geringer schlagen sich Einkommenszuwächse folglich auf den Konsum nieder. Schlechtverdiener geben somit einen größeren Teil des Einkommens wieder aus als Gutverdiener.

Will eine Regierung also mit Steuern- und Abgabensenkungen das Wirtschaftswachstum ankurbeln, müsste sie einen Schwerpunkt auf die unteren Einkommen legen. Ein Blick in diverse Steuerprogramme zeigt jedoch: Diese Erkenntnis ist bislang weder zur SPÖ noch zu den wahrscheinlichen Regierungsparteien ÖVP und FPÖ durchgedrungen. (Gerald John, 30.10.2017)