Brüssel/Barcelona/Madrid – Die Europäische Union zeigt Katalonien nach der Unabhängigkeitserklärung die kalte Schulter. "Für die EU ändert sich nichts", schrieb EU-Ratspräsident Donald Tusk am Freitag auf Twitter. "Spanien bleibt unser einziger Gesprächspartner." Tusk, der an der Spitze des EU-Rates der Mitgliedstaaten steht, rief die Regierung in Madrid gleichzeitig auf, vom Einsatz von Gewalt abzusehen.

Das katalanische Regionalparlament hatte zuvor die Unabhängigkeit von Spanien erklärt. Der spanische Senat stimmte daraufhin einem Antrag Madrids zu, die katalanische Regionalregierung in Barcelona zu entmachten.

"Die EU braucht keine weiteren Risse", sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bei einem Besuch in Französisch-Guyana vor Journalisten. Schon vor der Unabhängigkeitserklärung hatte eine Kommissionssprecherin gesagt, die Position der Behörde zur Katalonien-Frage sei unverändert. Es gehe "um eine innere Angelegenheit Spaniens".

Deutsche Regierung: "Verfassungsbruch"

Auch die deutsche Bundesregierung stellte sich hinter die spanische Regierung. Sie sehe "die erneute Zuspitzung der Situation in Katalonien ausgelöst durch den erneuten Verfassungsbruch seitens des katalanischen Regionalparlaments mit Sorge", erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag. Die Bundesregierung unterstütze die klare Haltung des spanischen Ministerpräsidenten zur Gewährleistung und Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung. "Wir hoffen darauf, dass die Beteiligten alle bestehenden Möglichkeiten zum Dialog und zur Deeskalation nutzen werden."

Der französische Präsident Emmanuel Macron sicherte am Freitag Spaniens Regierungchef Mariano Rajoy seine "volle Unterstützung" in der Katalonien-Krise zu. Rajoy sei sein Ansprechpartner in Spanien, das ein Rechtsstaat mit verfassungsrechtlichen Regeln sei, die zu respektieren seien, sagte Macron bei einem Besuch in Französisch-Guyana. Der französische Präsident fügte hinzu, die Katalonien-Krise sei eine innere Angelegenheit Spaniens.

Auch USA unterstützen Madrid

Auch das US-Außenministerium unterstützt die Haltung der spanischen Zentralregierung. Katalonien sei ein integraler Bestandteil Spaniens und Washington unterstütze die Bemühungen Madrids, die Einheit des Landes zu wahren, betonte Außenamtssprecherin Heather Nauert am Freitag in einer Erklärung.

Die Katalanen hatten am 1. Oktober in einem Referendum über die Unabhängigkeit abgestimmt. 90 Prozent stimmten dabei für eine Abspaltung von Spanien. Die Beteiligung lag allerdings nur bei 43 Prozent, Madrid hatte die Abstimmung schon im Vorfeld als illegal erachtet.

"Wir müssen Länder so respektieren wie sie sind", sagte der portugiesische EU-Forschungskommissar Carlos Moedas am Freitag. Dies sei "für Europa äußerst wichtig". Auch wenn die Lage "für alle Seiten sehr schwierig" sei: "Als Europäische Union müssen wir die konstitutionelle Ordnung Spaniens verteidigen."

Der Gefahr erneuter Gewalt in Katalonien-Konflikt ist sich die EU aber bewusst, nachdem die spanische Polizei beim dem Referendum Wahllokale räumte und gegen Unabhängigkeitsbefürworter vorgegangen war. Mehrere hundert Menschen wurden damals verletzt.

"Ich hoffe, die spanische Regierung bevorzugt die Stärke des Arguments, nicht das Argument der Stärke", schrieb Tusk. Auch Belgiens Regierungschef Charles Michel rief zu einer friedlichen Lösung auf. "Eine politische Krise kann nur durch Dialog gelöst werden", schrieb er auf Twitter.

Der französische Rechtsexperte Jean-Claude Piris erwartet nicht, dass die Front der 28 Mitgliedstaaten gegen eine Anerkennung der Unabhängigkeit bröckeln wird. "Vielleicht werden einige Länder wie Nordkorea oder Venezuela diese Unabhängigkeit anerkennen, aber kein EU-Staat", sagt der Jurist, der mehr als zwei Jahrzehnte den juristischen Dienst des EU-Rates geleitet hatte.

Furcht vor Präzedenzfall

Tatsächlich wird in Brüssel befürchtet, dass Katalonien zu einem Präzedenzfall werden könnte, der von Unabhängigkeitsbefürwortern in anderen EU-Ländern als Vorbild genutzt wird: etwa von den Flamen in Belgien, den Korsen in Frankreich oder der Lega Nord in Italien. Und so sagte auch Juncker: "Ich will nicht, dass die Europäische Union morgen aus 95 Mitgliedstaaten besteht."

Ohne Anerkennung als Staat bleibe Katalonien Teil Spaniens und gehöre damit auch weiter zur EU, sagt Rechtsexperte Piris. Auch den Euro würden die Katalanen damit weiter behalten. In der EU vertreten werde die Region aber weiter allein durch Madrid. (APA, 27.10.2017)