Versammlung der Republikaner in Souvigny-en-Sologne. Viele in der Partei wollen sich an der ländlich-konservativen Schicht ausrichten.

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Allen Streiks und Revolutionen zum Trotz: Frankreich bleibt in seinem Kern sehr ländlich-konservativ. Seit Charles de Gaulle 1959 in den Élysée-Palast eingezogen war, haben die Gaullisten – heute "Les Républicains" (LR) – 39 Jahre lang regiert, zuletzt mit Jacques Chirac und Nicolas Sarkozy an der Spitze; die Sozialisten schafften in der Fünften Republik mit François Mitterrand und François Hollande nur 19 Jahre.

Der aktuelle Rechtstrend in Europa, der bei den jüngsten Urnengängen in Deutschland, Österreich, Tschechien oder Norditalien zum Ausdruck kam, sollte den französischen Republikanern eigentlich noch Auftrieb verleihen. Doch so stark ihr Wählerpotenzial an sich wäre, so geschwächt und zerstritten präsentieren sie sich gegenwärtig.

"Verräter"

Am Dienstag wollte die Partei fünf prominente Mitglieder, die zum Mitte-Politiker Emmanuel Macron übergelaufen waren, aus der Partei ausschließen. Darunter sind auch der aktuelle Premierminister Édouard Philippe und Budgetminister Gérald Darmanin. Sie werden vom rechten LR-Flügel als "Verräter" bezeichnet.

Doch die Prozedur verkam zu einer wahren Tragikomödie: Das erweiterte LR-Direktorium stimmte zwar mehrheitlich für den Ausschluss aus der Partei, brachte die von den Statuten verlangte Zahl der Abstimmenden aber nicht zusammen. Denn Philippe und Darmanin haben in der Partei noch einige gemäßigte Sympathisanten, die dem Votum bewusst fernblieben. Einer von ihnen, Gilles Boyer, twitterte: "Um auszuschließen, braucht es ein Quorum. Doch um das Quorum zu haben, muss man aufhören, andere auszuschließen."

Kampf um Le Pens Platz

Im Visier hatte er die katholisch-konservative Fraktion um Laurent Wauquiez, der im Dezember die Leitung der Partei übernehmen und Sarkozys Erbe antreten will. Der jungdynamische Aufsteiger will LR auf einen klaren Rechtskurs einschwören. Diese Strategie beruht auf einer doppelten, aus seiner Sicht wohl zutreffenden Analyse: Das Lager der rechten – wie auch der linken – Mitte wird derzeit von Macron abgedeckt und dominiert; rechts außen liegen hingegen viele Wählerstimmen brach, nachdem Marine Le Pen bei den Präsidentschaftswahlen im Frühjahr enorme Schwächen an den Tag gelegt hatte und nur noch den Schatten einstiger Selbstsicherheit abgibt.

Wauquiez betont bei jeder Gelegenheit, er werde mit dem Front National keine gemeinsame Sache machen. Was ihm vorschwebt, ist eine Art französische Tea Party mit einer starken Basisbewegung gegen Pariser Eliten. Damit weiß er laut Umfragen 60 Prozent der konservativen Wähler hinter sich.

Taktischer Schwenk

Gemäßigte Altgaullisten wie Alain Juppé verweigern sich aber einem auch nur taktisch bedingten Rechtsschwenk. Nüchtern betrachtet stehen die "Juppéisten" – zu denen auch Premier Philippe zählt – Macron näher als Wauquiez. Der Staatspräsident "macht jetzt die Reformen, von denen die Republikaner geträumt haben", bekannte Alain Lamassoure. Der einflussreiche Ex-Minister und Europapolitiker kündigte bereits seinen freiwilligen Austritt aus der Republikaner-Partei an und bekannte sich offen zu den "Konstruktiven". So nennen sich die republikanischen Macron-Überläufer, die in der Nationalversammlung systematisch für die Vorlagen des Staatschefs votieren.

Der Parteiausschluss der fünf Dissidenten soll nun kommende Woche in einer neuen Abstimmung der LR-Spitze vollzogen werden. Wie auch immer das Gezerre ausgehen wird: Der Bruch scheint schon fast vollzogen.

Eine Spaltung ist möglich

Statt ihre theoretische Wählermehrheit in politische Münze umzusetzen, dürften sich die französischen Konservativen noch weiter zerfleischen und gegenseitig vorwerfen, sie biederten sich dem Gegner an – im Fall von Wauquiez bei Le Pen, im Fall von Juppé bei Macron. Die Spaltung in einen gemäßigten und einen rechtskonservativen Flügel ist damit nicht mehr ausgeschlossen. Nach den Sozialisten drohen auch die Republikaner als Jagdtrophäe Macrons zu enden. (Stefan Brändle aus Paris, 28.10.2017)