Die Grünen im Bund hat es zerrissen, weil sie zu beliebig und harmlos geworden waren. Wer aus ihrer Wählerschaft ein Zeichen gegen Schwarz/Türkis-Blau setzen wollte, hat denn auch am 15. Oktober SPÖ gewählt.

Die Bundesgrünen sollten jetzt an den Grassroots, also in Versammlungen, Diskussionszirkeln, auf jeden Fall aber im großen Forum des Internets, eine schonungslose Debatte beginnen, was schiefgelaufen ist und wie eine Neugründung aussehen sollte. Der Führung wurde ja vorgeworfen, sich abzuschotten und gelackte Marketingkonzepte einzusetzen, statt sich die Frage zu stellen, wofür es die Grünen eigentlich geben soll.

Die Wiener Grünen, die letzte große Bastion der Partei, müssen sich diese Frage auch aus aktuellem Anlass stellen:

Der Wiener Gemeinderat und Sprecher für Stadtplanung für die Wiener Grünen, Christoph Chorherr, muss sich gegen den Vorwurf verteidigen, von Großen der Wiener Immobilienwirtschaft namhafte Spenden für einen karitativen Verein ("Ithuba") bekommen zu haben, der in Südafrika Schulen für arme Kinder baut.

Chorherr betont ausdrücklich, er habe sich nicht persönlich bereichert. Das ist ihm aus Kenntnis der Person absolut abzunehmen. Chorherr ist wie gesagt "Planungssprecher" der Wiener Grünen und stellvertretender Vorsitzender im Wohnbauausschuss des Wiener Landtags. Er hat sich in diesem Zusammenhang für Passivhäuser und einen umweltgerechten Wohnbau eingesetzt. Die politische Konkurrenz wirft ihm allerdings vor, sozusagen der Mann im Hintergrund bei verschiedenen baurelevanten Entscheidungen zu sein, auch beim Heumarkt-Projekt. Die Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger sagte, Chorherr sei "der selbsternannte oberste Bauherr. In baulichen Sachen geht nichts ohne ihn."

Chorherr weist das im Gespräch mit dem Autor dieser Zeilen zurück und betont die schlichte Tatsache, dass er eben der Fachmann bei den Grünen für Planung sei und er da logischerweise mitwirke.

Chorherrs Name fällt aber auch in der Kontroverse um den umstrittenen Wohnturm des Investors Michael Tojner am Wiener Heumarkt, der von der Führung der Wiener Grünen befürwortet wird, obwohl es sich um einen Luxusbau handelt und vor allem die Sichtachse vom Belvedere auf Wien schwer gestört würde. Chorherr sagt, er habe von Tojner niemals eine Spende erhalten. Es gibt derzeit auch keine ernsthaften Indizien dafür.

Der Fall zeigt das Dilemma der Grünen, wenn sie in der realen Politik ankommen und Verantwortung übernehmen (müssen). Entscheidungen stehen oft im Widerspruch zur eigenen Weltanschauung. Ein ästhetisch fragwürdiger Betonklotz im Stil der 60er-Jahre am Rand der Innenstadt mit Luxuswohnungen um 15.000 Euro/m2 ist wohl kein genuin grünes Projekt.

Macht muss sein, weil Politik sonst sinnlos ist. Aber von Zeit zu Zeit muss man versuchen, sich aus den Zwängen der Macht zumindest zeitweise zu befreien und über sich selbst nachzudenken. Dieser Moment scheint bei den Grünen eindeutig gekommen. (Hans Rauscher, 27.10.2017)