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Bewohner von Mehrparteienhäusern dürfen künftig Strom aus der eigenen Photovoltaik-Anlage verbrauchen und auch verkaufen.

Foto: dpa/Hendrik Schmidt

Wien – Solarstrom vom eigenen Dach ist nicht mehr nur Einfamilienhäusern vorbehalten, sondern zieht auch in die Städte ein. Mit der jüngsten Novelle des Ökostromgesetzes können nun die Bewohner von Mehrparteienhäusern Strom aus der eigenen Photovoltaik-Anlage verbrauchen und auch verkaufen. Interessant dürften solche Anlagen zunächst vor allem bei neuen Bauten sein.

In ein paar Monaten könnte es bereits die ersten dieser Solarkraftwerke geben. Bisher konnte Solarenergie in Mehrfamilienhäusern nur für Gemeinschaftsanlagen, wie etwa das Licht im Stiegenhaus oder den Aufzug, verwendet, nicht aber in den Wohnungen selbst verbraucht werden. Stromnetzbetreiber und die Energieregulierungsbehörde E-Control stellen bereits vermehrtes Interesse an den neuen Möglichkeiten fest.

Schnelle Errichtung

"Die Errichtung solcher Anlagen kann nun sehr schnell gehen", sagte E-Control-Vorstand Wolfgang Urbantschitsch zur APA. Die neuen Regelungen könnten für Bauvorhaben, die gerade in Umsetzung sind, interessant sein – "wenn die Möglichkeit besteht und es der Baufortschritt zulässt". Es könne sein, dass in ein paar Monaten die ersten Kunden eine Anlage haben.

Bei neu errichteten Bauten wird eine Gemeinschaftsanlage jedenfalls leichter realisierbar sein als bei bereits bestehenden Häusern, sind sich Experten einig. Das reicht von der Technik bis hin zu den rechtlichen Themen, die beispielsweise in Wohnungseigentumsverträgen von vorneherein hineingeschrieben werden könnten. "Beim Neubau ist es viel einfacher", ist Urbantschitsch überzeugt.

Zustimmung aller Eigentümer notwendig

Leichter werde es bei bestehenden Häusern wohl auch sein, wenn ein Haus nur einen Eigentümer hat. Bei einer Eigentümergemeinschaft müssen nach Juristenansicht wohl alle der Errichtung eine Gemeinschaftsanlage zustimmen. Die Teilnahme ist auf jeden Fall freiwillig und es müssen auch nicht alle Bewohner eines Hauses mitmachen.

Ohne einen "intelligenten" Stromzähler (Smart Meter) geht es jedenfalls nicht. Für die genaue Zuordnung sind viertelstündliche Auslesungen durch den digitalen Stromzähler nötig. Die Daten werden dann vom Netzbetreiber verarbeitet und an den Betreiber übermittelt. Die Teilnehmer müssen der Auslesung und Verwertung der viertelstündlichen Messwerte ausdrücklich zustimmen. Die Netzbetreiber arbeiten an der österreichweiten Umsetzung.

Betreiber ist für Abrechnung zuständig

Für die Abrechnung ist der Betreiber der Anlage zuständig, der Stromnetzbetreiber ist nur für die Übermittlung der Daten zuständig. Dafür kann dann ein Dienstleister beauftragt werden, der die Erzeugungsanlage auch aufs Dach stellen kann, sie betreibt und für die richtige Zuordnung an die einzelnen Wohnungen sorgt. Alles, was Eigentumsrechte, Anteilsrechte, Zuordnungen, Erlöse aus dem möglichen Verkauf, etc. betrifft, muss privatrechtlich vereinbart werden.

Als Betreiber in Frage kommen nach Einschätzung von Urbantschitsch angestammte Energieversorger, die bereits ähnliche Produkte anbieten, aber auch andere wie Elektrounternehmen oder Photovoltaik-Firmen. "Da kann sich ein Wettbewerb entwickeln, der über die Stromlieferanten hinausgeht."

So wird etwa die Wien Energie in den Markt einsteigen. "Wir heben unsere Bürgerbeteiligungsmodelle auf eine neue Stufe", so Wien-Energie-Chef Michael Strebl. "Nun können Wohnungsmieter und -eigentümer in Wien Solarstrom direkt vom gemeinsamen Hausdach nutzen und die eigene Stromrechnung entlasten." Strebl hofft, "dass bald ein praktikables Modell steht, dann wird Wien Energie gemeinsam mit Wohnbauträgern und Hausverwaltungen das Produkt bewerben und an geeigneten Standorten umsetzen". Photovoltaik-Gemeinschaftsanlagen sind für die Wien Energie auch auf bereits bestehenden Wohnhäusern realistisch, etwa auf Gemeindebauten, Genossenschaftsanlagen oder auch klassischen Zinshäusern. 2011 gab es in Wien rund 154.000 Wohnhäuser. Davon sind rund 68.000 Mehrfamilienhäuser. Eine Gemeinschafts-Photovoltaik-Anlage könnte auf bis zu 10 Prozent dieser Mehrfamilienhäuser stehen, meint die Wien Energie.

Zwei Drittel der Wiener Dachflächen sind geeignet

Theoretisch sind laut dem Wiener Solaranlagenkataster in der Bundeshauptstadt rund zwei Drittel der Dachflächen für die Nutzung von Solarthermie bzw. Photovoltaik geeignet. Das entspricht einer Fläche von cirka 34 Quadratkilometern, davon sind 5 km2 "sehr gut geeignet, 29 km2 gut. 19 Quadratkilometer sind gar nicht geeignet.

Bei den Wiener Netzen gibt es bereits Anfragen aus den verschiedensten Bereichen – Privatpersonen, Beratungsfirmen, Photovoltaik-Anlagenerrichter, Hausverwaltungen und Wohnbauträger -, allerdings noch keine konkreten Projekte, wie es aus dem Unternehmen zur APA heißt.

Ein Pilotprojekt starten will im kommenden Jahr beispielsweise die Sozialbau AG, die mit rund 51.200 Wohnungen der größte private Hausverwalter in Österreich ist. Man versuche, fünf bereits bestehende Photovoltaik-Anlagen umzubauen, sagte Vorstand Ernst Bach zur APA. Erste praktische Erfahrungen seien für Herbst kommenden Jahres zu erwarten, dann wolle man entscheiden, wie es weitergeht. Wichtig ist der Sozialbau die Wirtschaftlichkeit – Senkung der Kosten und Steigerung der Effizienz.

Finanzielle Vorteile

Bei bereits bestehenden Photovoltaik-Anlagen in Einfamilienhäusern liegt der Eigenverbrauchsanteil nach Zahlen der E-Control bei 30 Prozent. Laut Urbantschitsch könne diese Quote bei Gemeinschaftsanlagen je nach Größe auf 50 bis 60 Prozent steigen. Konsumenten könnten mit der neuen Regelung Wünschen nach einem Beitrag zum Klimaschutz und einer stärkeren Eigenversorgung nachkommen – "und es kann schlicht finanzielle Vorteile haben, denn die Energie, die ich selber erzeuge, beziehe ich nicht aus dem Netz", so Urbantschitsch. Es seien somit auch weniger Netzkosten sowie Steuern und Abgaben zu bezahlen.

Die Stromrechnung besteht aus drei Teilen: Dem reinen Energiepreis – nur hier ist ein Lieferantenwechsel möglich, den standortabhängigen Netztarifen sowie Steuern und Abgaben.

Für den Strom, den ein teilnehmender Haushalt nicht aus der gemeinschaftlichen PV-Anlage bezieht, gilt natürlich die freie Anbieterwahl. Für den nicht selbst verbrauchten Strom kann man sich einen Abnehmer suchen oder diesen nach Ökostromgesetz-Förderungen einspeisen. Als Technologie für Gemeinschaftsanlagen wird nach Einschätzung der E-Control nur Photovoltaik zur praktischen Anwendung kommen, das Modell könnte aber auch andere Technologien wie beispielsweise Mikro-Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen ermöglichen. (APA 27.10.2017)