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Der russlandkritische Oppositionsabgeordnete Igor Mosijtschuk entging am Mittwoch nur knapp einem Anschlag.

Foto: Reuters/STRINGER

Kiew – Nach einem Bombenanschlag auf einen ukrainischen Abgeordneten in Kiew haben die Behörden Terrorermittlungen eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft der ukrainischen Hauptstadt sprach am Donnerstag von einem möglichen Mordversuch des russischen Geheimdienstes, Moskau wies die Vorwürfe zurück.

Bei der Bombenexplosion war am Mittwochabend der russlandkritische Oppositionsabgeordnete Igor Mosijtschuk verletzt worden. Sein Leibwächter und ein Passant wurden getötet.

Der Abgeordnete der Radikalen Partei hatte nach einem Interview das Studio des Fernsehsenders Espreso verlassen, als bei einem am Straßenrand geparkten Motorroller ein Sprengsatz detonierte, wie der Sender erklärte. Der 45-Jährige wurde verletzt. Sein Leibwächter starb auf dem Weg ins Krankenhaus, ein Fußgänger starb noch am Tatort.

Ermittlungen in alle Richtungen

Der ukrainische Geheimdienst SBU leitete Ermittlungen wegen eines "Terrorakts" ein, wie eine Sprecherin sagte. Allerdings werde auch in alle anderen Richtungen ermittelt. Der Vize-Staatsanwalt von Kiew, Pawlo Kononenko, sagte, erste Hypothese sei ein vom russischen Geheimdienst organisierter "Mordanschlag". Weitere Möglichkeiten seien ein Anschlag in Verbindung mit Mosijtschuks "politischen Aktivitäten" und persönliche Motive.

Demnach handelte es sich bei der Bombe um einen selbst gebauten Sprengsatz. Festnahmen gab es zunächst keine. Staatschef Petro Poroschenko forderte eine rasche Aufklärung der Tat.

Vorwürfe gegen Russland

Zuvor hatte der Chef der Radikalen Partei, Oleg Liaschko, auf Facebook geschrieben, der "versuchte Mordanschlag" sei "eindeutig das Werk des Geheimdienstes unseres Feindes" – eine klare Anspielung auf Russland. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow wies die Vorwürfe aus Kiew zurück: Es handle sich um "unbegründete Hysterie" und "Russlandfeindlichkeit".

Die populistische Radikale Partei befindet sich im ukrainischen Parlament in der Opposition, hat in der Vergangenheit aber auch mit der Regierung zusammengearbeitet. Mosijtschuk verbüßte von 2011 bis 2014 eine Haftstrafe, nachdem ihm die Beteiligung an einer "terroristischen" ultranationalistischen Gruppe vorgeworfen worden war. Im Zuge der prowestlichen Protestbewegung, die im Februar 2014 zum Sturz des prorussischen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch führte, wurde er freigelassen.

Eiszeit zwischen Russland und der Ukraine

Das Verhältnis von Russland und der Ukraine ist seit dem Sturz Janukowitschs extrem gespannt. Die ukrainische Regierung und die EU werfen Russland vor, die gegen Kiew kämpfenden Rebellen in der Ostukraine militärisch zu unterstützen, was Moskau bestreitet. Die EU hat gegen Russland Sanktionen verhängt, weil es die ukrainische Halbinsel Krim annektiert hat.

In der Vergangenheit hatte es in der Ukraine mehrere ähnliche Anschläge auf Politiker und Kritiker gegeben. Im Juli vergangenen Jahres wurde der ukrainische Journalist Pawlo Scheremet durch eine Autobombe getötet. Der Reporter der Nachrichtenseite "Ukrainska Prawda" hatte sowohl die politischen Verhältnisse in Russland als auch in der Ukraine kritisiert. Der prowestliche Journalist war ein enger Freund des russischen Oppositionellen Boris Nemzow, der 2015 in der Nähe des Kreml ermordet wurde.

Ein zweiter Vorfall ereignete sich heuer im März, als der ehemalige russische Abgeordnete und Kreml-Kritiker Denis Woronenkow in Kiew vor einem Hotel in der Innenstadt erschossen wurde. Der ukrainische Präsident Poroschenko machte Russland für Woronenkows Tod verantwortlich und sprach von russischem "Staatsterrorismus". (APA, 27.10.2017)