Landwirtschafts- und Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) will Wien nicht "schwächen, sondern entlasten".

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Wien – Landwirtschafts- und Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) will sich auch nach Kritik an der Übersiedlung des Umweltbundesamts von Wien nach Klosterneuburg nicht vom Vorhaben abbringen lassen, weitere Bundesbehörden aufs Land zu verlagern. "Das Umweltbundesamt ist einmal ein erstes Zeichen. Wir hoffen, dass wir in der Zukunft noch einiges umsetzen können", hieß es aus dem Büro des Ministers.

Im Zuständigkeitsbereich des Ministers könnten schon bald die für Wien, Niederösterreich und das Burgenland zuständige Abteilung der Wildbach- und Lawinenverbauung sowie das Institut für Bergbauernfragen folgen. Es sei einigermaßen "absurd", Bergbauernfragen in Wien abzuhandeln. Im Landwirtschaftsministerium denkt man deshalb etwa daran, das Institut nach Tirol zu verlegen. Das Bundesamt für Wasserwirtschaft sei schon im Vorjahr von Wien nach Scharfling am Mondsee in Oberösterreich übersiedelt.

Studie: 3.500 Stellen aufs Land

64 von 68 österreichischen Bundesbehörden sind derzeit in Wien angesiedelt. Rupprechter drängt seit Monaten auf eine Dezentralisierung. Wenn es sinnvoll sei, gehörten Behörden in die Regionen verlagert. Das führe auch zu einer Stärkung des ländlichen Raums, erklärte der Rupprechter bei verschiedenen Gelegenheiten. Laut einer Studie der Innsbrucker Institute für Föderalismus beziehungsweise Verwaltungsmanagement könnten realistischerweise bis zu 3.500 Bundesdienststellen aufs Land verlagert werden.

Im Vergleich mit der Schweiz, Deutschland und einer Reihe anderer europäischer Staaten ist die heimische Verwaltung stark zentralistisch und auf die Bundeshauptstadt Wien konzentriert. Einige Bundesländer hätten deshalb mit einem starken Abzug von Fachkräften zu kämpfen. Laut der vom Landwirtschafts- und Umweltministerium beauftragten Studie würden so in den kommenden zehn Jahren rund 50.000 Personen aus Bundesländern wie Kärnten, der Steiermark oder Tirol Richtung Bundeshauptstadt abwandern.

Einmalige Umzugskosten

Im digitalen Zeitalter gebe es immer weniger Argumente, eine Dezentralisierung der Bundesverwaltung abzulehnen. Die Verlagerungen würden aber einmalige (Umzugs-)Kosten verursachen und massiv in die Lebenssituation der Mitarbeiter eingreifen. Dezentralisierung könne deshalb nur mit den Mitarbeitern und in einem Change-Management-Prozess erfolgen, sagt Rupprechter.

Die Bundesverwaltung beschäftigt derzeit in den Zentralstellen und im nachgelagerten Bereich mehr als 130.000 Personen. Da viele Verwaltungsorganisationen wie Schule, Heer, Polizei ohnehin in der Fläche arbeiten, komme für eine Dezentralisierungsstrategie vor allem der klassische Verwaltungsdienst infrage. Das sind knapp 45.000 Personen, wie es in der Studie heißt. Nach Abzug jener Mitarbeiter, die schon jetzt beispielsweise in Finanzämtern auf dem Land arbeiten, verbleibe eine Größenordnung von rund 35.000 Personen. In zehn Jahren könnten davon realistischerweise 3.500 Bundesdienststellen in Regionen außerhalb Wiens verlagert werden.

Mitarbeiter der Bergbauern-Anstalt wollen nicht nach Tirol

Die Mitarbeiter der Bundesanstalt für Bergbauernfragen kündigten bereits am Mittwoch an, nicht von Wien nach Tirol übersiedeln zu wollen. Entsprechenden Überlegungen von Umwelt- und Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) erteilt man eine Absage, so Gerhard Hovorka von der Personalvertretung der Bundesanstalt für Bergbauernfragen.

"Die Bundesanstalt für Bergbauernfragen ist eine sozioökonomische Forschungseinrichtung mit 14 Mitarbeitern. Der Platz der Bundesanstalt für Bergbauernfragen ist dort, wo die Wissenschaft, die zuständigen Universitäten, das Parlament und das zuständige Ministerium ihren Standort haben und das ist in Wien", erklärte Hovorka. Auch die internationale wissenschaftliche Vernetzung würde durch eine Übersiedlung nach Tirol erschwert. Die Arbeit der Behörde gehe weit über die Berglandwirtschaft hinaus. Die Beratung der Bergbauern sei wichtig, aber das würden nicht die Bundesanstalt, sondern die Landwirtschaftskammern bzw. die Agrarlandesämter machen.

Ein Umzug nach Tirol sei für die Mitarbeiter auch aus sozialen und finanziellen Überlegungen nicht zumutbar, betonte Hovorka. Die Belegschaft habe ihren Lebensmittelpunkt in Wien und in der Nähe von Wien, umfangreichere Pensionierungen stünden zudem die nächsten zehn bis 15 Jahre nicht an. Die Dezentralisierung von Verwaltungseinrichtungen bringe auch keine Einsparungen, sondern koste im Gegenteil viel Geld. "Und wenn schon Dezentralisierung, warum dann nur eine kleine Forschungseinrichtung mit 14 Mitarbeitern und nicht konsequenterweise gleich das ganze Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft in eine ländliche Region übersiedeln", so Hovorka.

Wien "entlasten"

Laut Rupprechter will er mit seinen Vorschlägen Wien damit "nicht schwächen, sondern entlasten". Die Stadt wachse ohnehin sehr stark. In Wien sieht man das anders. Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ) erneuerte am Mittwoch ihre Kritik am Abzug des Umweltbundesamts und bot im Gegenzug ein Grundstück in der Seestadt Aspern an. "Wir haben schon mehrmals Angebote gemacht, bislang wurde die Absiedelung aber eiskalt in Abrede gestellt und unsere Bemühungen ignoriert", meinte Sima. Auf alle Nachfragen und Angebote sei stets erklärt worden, dass ein Umzug nicht geplant sei. Sima bezeichnet die Vorgangsweise als Wien-Bashing und Vorarbeit für Schwarz-Blau und wirft Rupprechter Gesetzesbruch vor.

SPÖ-Kritik an längeren Arbeitswegen

Kritik kam auch von Infrastruktur- und Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ). Eine Übersiedlung des Umweltbundesamts vor die Tore Wiens stärke nicht den ländlichen Raum, sondern verlängere nur den Arbeitsweg für über 500 Mitarbeiter. "Das ist auch verkehrspolitisch ein Unfug, denn das bedeutet mehr Autos, Staus und Abgase. Als wahren Grund könnte man eher vermuten, dass der Umweltminister der niederösterreichischen Landeshauptfrau ein Geschenk für den kommenden Landtagswahlkampf machen will", so Leichtfried. Der Minister kritisierte auch die Kosten für den Umzug. "Nach der Wahl zeigt Schwarz-Blau sein wahres Gesicht. Bei denen, die sich nicht wehren können, wird gespart. Doch um die eigene Klientel zu bedienen, sind schnell 50 Millionen Euro aus dem Hut gezaubert."

Rupprechter will sich vom Widerstand aber nicht irritieren lassen und sein Konzept fortsetzen. "Selbstverständlich bleibt er da auf Kurs", hieß es am Mittwoch im Ministerium. (APA, 25.10.2017)