Staat im Staat, aufgeblähte Apparate, Sesselkleber: Die Gegner der Pflichtmitgliedschaft in den Kammern stellen naturgemäß die Nachteile in den Vordergrund.

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Wien – Angesichts der anlaufenden Koalitionsverhandlungen von ÖVP und FPÖ gaben sich Arbeiterkammer und Gewerkschaft am Dienstag zunächst noch abwartend. Man bewerte jegliche Regierung daran, was sie für die Arbeitnehmer zu tun bereit sei, sagten AK-Präsident Rudolf Kaske und ÖGB Chef Erich Foglar in einer Pressekonferenz. In einem Punkt waren sie nicht überraschend sehr klar: Keinesfalls dürfe es zur Abschaffung der Kammer-Pflichtmitgliedschaft kommen. Eine Ansicht, die naturgemäß auch in der Wirtschaftskammer vertreten wird.

Foglar unterstrich für seine Seite, dass man mit der Abschaffung der Kammer-Pflichtmitgliedschaft und damit dem Aushebeln der Kollektivvertragssysteme "sicher nicht einverstanden sein" werde. Den Missmut darüber würde man "situationselastisch und -adäquat" kundtun, so der ÖGB-Präsident, ohne in Details zu gehen.

Kaske: Freiwilligkeit wäre Ende für KV-System

Weniger zurückhaltend als mit der kommenden Regierung gingen die beiden mit der Industriellenvereinigung und deren Präsident Georg Kapsch um, der die Sozialpartnerschaft zuletzt als Machtkonstrukt und "Staat im Staat" kritisiert hatte. In Wirklichkeit sei diese ein Erfolgsmodell seit vielen Jahrzehnten, während Regierungen gekommen und gegangen seien. Sie sei ein Ideengeber für die Zukunft des Landes. "Ich glaube, es ist nicht gescheit, auf gute Ideen zu verzichten", sagt Kaske. "Das machen nur Menschen, die arm im Geiste sind."

Im Ö1-"Morgenjournal" am Mittwoch legte Kaske noch ein Schäufelchen nach. Eine freiwillige Mitgliedschaft würde das Kollektivvertragssystem, das vor allem die Löhne festlegt, aushebeln, warnte er. Das Argument, dass die Kollektivverträge in Wahrheit vom ÖGB – wo es ja keine Pflichtmitgliedschaft gibt – ausgehandelt würden, lässt Kaske nicht gelten.

Filzmaier: "Pluralistisches statt korporatistisches Modell"

Was eine Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft bedeuten könnte, erklärt Politikwissenschafter Peter Filzmaier im ORF-Radio so: "Mehr Wettbewerb im Sinne von Bemühen um mehr Mitglieder." Im Gegensatz zum jetzigen korporatistischen Modell hätte man dann ein pluralistisches System, so Filzmaier, es könnten sich neue vergleichbare Interessenvertretungen gründen, die dann allerdings mangels Pflichtmitgliedschaft nur ihre jeweiligen Mitglieder vertreten würden.

Wie andere auch ist Filzmaier davon überzeugt, dass die Kammern bei Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft Mitglieder verlieren würden. (red, 25.10.2017)