Über die "Architektur des Wissens" sprachen unter der Moderation von STANDARD-Chef vom Dienst Eric Frey (3. von rechts): Wolf D. Prix, Anton Zeilinger, Eva Schlegel, Christoph Badelt und Hans-Peter Weiss (von links).

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Die neue Wirtschaftsuni in Wien wurde nach einer Bauzeit von vier Jahren am 4. Oktober 2013 eröffnete. Warum es im Gegensatz zu anderen Bauprojekten gelungen ist, Zeit- und Budgetvorgaben einzuhalten, hat laut BIG-Geschäftsführer Hans-Peter Weiss mit der guten Vorbereitung zu tun.

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Wien – Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Architektur einer Universität und dem Wissen, das in ihr produziert wird? Darüber haben Experten im Rahmen der ersten von insgesamt drei Standpunkte-Diskussionen debattiert, die der STANDARD in Kooperation mit der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) veranstaltet.

Der Tenor auf dem Podium zum Thema "Architektur des Wissens" lautete: Die Prinzipien, die eine Universität vertritt, sollen auch architektonisch im Bau abgebildet werden. Wifo-Chef Christoph Badelt hatte als ehemaliger Rektor der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien die Möglichkeit, den Prozess des Neubaus einer Universität von der Pike auf zu begleiten: "Internationalität, Offenheit und Vielfalt sollten sich im neuen Gebäude widerspiegeln", erzählt Badelt. "Wir wollten uns als Universität nicht eingezäunt wissen."

Interesse am eigenen Projekt

Die Architekten der neuen WU erhielten daher konkrete Vorgaben zur Funktionalität. Für den Architekten Wolf D. Prix, der auch den Bauprozess der WU am Rande begleitete, ist Funktionalität ein Reizwort: "Bei Wettbewerben wird heute meist nach banalen Funktionalitätskriterien ausgesucht." Das sei aber nie der geeignete Weg, um das Beste herausfiltern zu können. Der Vorteil bei der WU sei gewesen, dass Auftraggeber und auch Benutzer interessiert am Projekt selbst waren.

Die neue WU, die am 4. Oktober 2013 nach vier Jahren Bauzeit eröffnete, wurde innerhalb des geplanten Zeit- wie auch Budgetrahmens realisiert. Warum das im Gegensatz zu manch einem Krankenhaus oder Flughafen gelang, macht BIG-Geschäftsführer Hans-Peter Weiss an der guten Vorbereitung fest: Diese sei essenziell für das Gelingen. In dem konkreten Fall hatten sich BIG und WU zu einer Gesellschaft zusammengeschlossen, an der die Hochschule 49 Prozent der Anteile hielt. "Wir hätten nicht einfach so mehr Geld bekommen", sagt Badelt. Man habe den vom Finanzministerium genehmigten Rahmen nicht überschreiten können.

Campus-Standorte werden beliebter

Aber Universität ist nicht gleich Universität: Die BIG hat neben der WU schon mehrere Neubauten und Neugestaltungen von Hochschulen begleitet. "Den Unibau gibt es nicht", betont Weiss. Ob es sich um Wirtschaftswissenschafter oder Künstler handelt, mache einen Unterschied. In jedem Fall werden Campus-Standorte immer beliebter: "Man will nicht mehr vor dem großen Tor eines Hauptgebäudes stehen und sich ausgeschlossen fühlen."

Ob man mitten in der Stadt bleibt oder einen Neubau außerhalb wagt, hänge von mehreren Faktoren ab, die nicht zuletzt auch mit der bloßen Verfügbarkeit entschieden werden. "In den 1960er- und 1970er Jahren war es populär, dass Unis ins Grüne übersiedeln", sagt Anton Zeilinger, Präsident der Akademie der Wissenschaften: "Diese Bauten haben aber oft eine sehr triste Atmosphäre entwickelt." Eine Universität müsse, geht es nach dem Physiker, in die Innenstadt eingebunden werden.

Auch die Akademie der Wissenschaften plant gemeinsam mit der BIG eine Neugestaltung der Räumlichkeiten in der Wiener City. Es soll "eine Art Campus" errichtet werden, der für die Öffentlichkeit zugänglich sein soll: "Diese Ecke soll belebt werden." Badelt sieht das ähnlich: "Es ist gescheit, wenn die Uni ein Teil der Gesellschaft ist und kein abgeschlossener Zirkel." Es müsse aber nicht immer das historische Zentrum sein, es könne auch ein neues rund um die Uni entstehen.

Alte Gebäude verwandeln

Eva Schlegel kennt sich mit der Neugestaltung von Universitäten aus: Die Künstlerin ist Uniratsvorsitzende der Kunstuniversität Linz und hat den Prozess der Übersiedelung der Kunstuni über die letzten Jahre begleitet. Das Besondere daran: Die Kunstuni ist in ein historisch belastetes Gebäude gezogen. Die neue Heimat, eines der Brückenkopfgebäude, wurde unter Adolf Hitler geplant. Wie wollen Künstler in einem NS-Bau Kunst machen? Das sei die Frage gewesen, die man sich anfangs gestellt habe. Mit einem kulturellen Erbe wie diesem umzugehen sei heikel. Man habe es aber doch gut lösen können: "Die Universität strahlt jetzt nach innen und außen etwas anderes aus", sagt Schlegel.

"Die Kunstuni in Linz hätte neu gebaut werden müssen", widerspricht Prix. "Das Brückenkopfgebäude wird immer ein Nazibau bleiben." Man dürfe keine Scheu haben, aktiv in die Stadt einzugreifen. Man müsse sich der Psychologie einer Gesellschaft, die bestimmte Dinge gebaut hat, bewusst sein. Aufgrund des Denkmalschutzes sei es allerdings schwierig gewesen die neue Kunstuni zu gestalten, berichtet BIG-Chef Weiss: Selbst der über das Dach des Gebäude ragende Glaslift musste reduziert werden.

Räume prägen Menschen

"Räume prägen Menschen und ihr Denken", stimmt Schlegel dem BIG-Chef zu. In einem kleinen Raum mache man intime Kunst, in einem großen Raum habe man Platz für Installationen – also für großes Denken. "Die Architektur kann keine Leute verbessen", meint Prix. Das soll heißen: Setze man einen untalentierten Maler in ein schönes Atelier, könne er nicht plötzlich malen. Haben nur Künstler solche Visionen? "Auch Naturwissenschafter haben Hirngespinste", meint Zeilinger. "Zu wissen, wer hier vorher ausgebildet wurde, macht viel aus", spricht der Physiker aus Erfahrung. "Das kann ein Gemeinschaftsgefühl erzeugen, das nicht zu unterschätzen ist, und geht auch über die Hardware hinaus."

Prix plädiert für mehr Mut, prägende Räume zu schaffen: "Wenn in einer Gesellschaft Wissen etwas wert ist, dann muss man auch Geld investieren." Es sollen auch Projekte abseits der reinen Funktionalität errichtet werden: "Der Architekt hat die Aufgabe, der Gesellschaft zu zeigen, dass Wissen ein entscheidender Faktor ist." (Vanessa Gaigg, 25.10.2017)