Mehrschichtig: Arnulf Rainers Übermalung "Ohne Titel" (1959) ...

Foto: Galerie Ruberl

... und Marc Adrians gleichnamiges Relief hinter Edelitglas (1967).

Foto: Panarte

Sie erinnern ein wenig an grob verpixelte Kandisäpfel, aber Marc Adrians unbetitelte runde Formen stammen aus einer Zeit, in der das Digitale noch in den Kinderschuhen steckte. Das Relief hinter Edelitglas stammt aus dem Jahr 1967, damals untersuchte der 2008 verstorbene Adrian schon seit einer Dekade in Objektkästen und Hinterglasmontagen die Wirkung von kinetischen Effekten und optischen Strukturproblemen.

Er zählt zu einer Generation von Avantgardekünstlern, welche die Kunst im Nachkriegsösterreich nachhaltig geprägt haben. Viele dieser Künstler sind heuer auf der Art & Antique in der Wiener Hofburg (4.-12. November) vertreten.

Die Galerie Panarte, die auf konkrete Kunst spezialisiert ist, zeigt etwa neben Adrian auch eine minimalistische Reliefarbeit des Kärntners Hans Bischoffshausen.

Ansonsten geht es wesentlich expressiver zu, mit zahlreichen Arbeiten des österreichischen Informel. Dessen Begründer Arnulf Rainer zeigt die Galerie Richard Ruberl mit einem frühen unbetitelten Ölbild, einer Übermalung aus dem Jahr 1959. Weitere informelle Positionen sind etwa Erwin Bohatsch und Herbert Brandl (Reinisch Contemporary Graz und Galerie 422 Margund Lössl) sowie Hans Staudacher, der u. a. mit der Collage es brennt (Die Franzosen in Wien) aus den 1950er-Jahren vertreten ist (Galerie Klaus & Elisabeth Thoman). Die All-Stars des Wiener Aktionismus sind selbstverständlich auch dabei: Beim Kunsthandel Giese & Schweiger hängt Otto Muehls Kornfeld (1987), die Grazer Galerie Zimmermann Kratochwill zeigt Hermann Nitschs Schüttbild (1992).

Am gleichen Stand ist mit Xenia Hausners Porträt zweier Frauen India (2017) erfreulicherweise auch eine zeitgenössische weibliche Position zu sehen. Ein weiteres Gemälde der Wiener Malerin – Rooftop – hängt beim Kunsthandel Runge.

Zwei Frauenporträts stechen beim Rundgang zudem hervor: zum einen Alex Katz' überlebensgroßer Siebdruck seiner Modelmuse Ulla, Black Dress V (2015) auf poppig-gelbem Hintergrund (Weihergut). Zum anderen Dolly (1927) von Karl Hauk, einem in Vergessenheit geratenen Maler der Neuen Sachlichkeit (Kunsthandel Widder). Die Porträtierte erwidert eindringlich den Betrachterblick.

Neben Malerei sind auch vereinzelt zeitgenössische Positionen aus dem Bereich der Skulptur in der Hofburg zu sehen. So zeigt etwa die Gallery Sikabonyi abstrakte Glasskulpturen des Bulgaren Latchezar Boyadjievs, der sich von den Formen moderner Architektur inspirieren lässt.

Skulpturale Körper

Das Kunsthaus Wiesinger bietet die Terrakotta-Plastik Mädchen mit geneigtem Kopf (2007) des Deutschen Robert Metzke an, am Stand der Galerie Alessandro Casciaro zeigt die Bronze Ipsum (2017) von Lois Anvidalfarei einen kauernden Menschen. Der Südtiroler studierte an der Akademie der bildenden Künste in Wien und beschäftigt sich wie Metzke in seinem Werk unermüdlich mit dem menschlichen Körper.

Im Gegensatz zu anderen Skulpturen zusammengekauerter Figuren in seinem OEuvre wirkt Ipsum durchaus ambivalent: Sie erinnert in ihrer knienden, vornübergebeugten Pose an eine beliebte Yoga-Übung, die "Stellung des Kindes" zur Entspannung der Wirbelsäule. Gleichzeitig symbolisiert die Embryostellung stets die Suche nach Geborgenheit und einem Ort der Zuflucht vor menschlichen Ängsten.

So thematisiert Ipsum das zweischneidige Schwert des ewigen Strebens nach Optimierung, das Ängste heilen soll, in der heutigen digitalen Welt jedoch genau jene unangenehmen Zustände hervorrufen kann. In ihrer rohen, unmittelbaren Körperlichkeit konfrontiert die Bronze den Betrachter mit seinen eigenen Ängsten. (Kathrin Heinrich, 24.10.2017)