Christoph Waltz in jener Rolle, die ihn aus dem Trott deutsch-österreichischer TV-Produktionen herauskatapultiert hat: als Hans Landa in Quentin Tarantinos "Inglourious Basterds".

Foto: Viennale

Wenn Christoph Waltz die Lippen breit zieht und die Zähne bleckt, dann klingt schnell einmal auch ein gewöhnlicher Vorname nach großer Kunst. Dusan Mirkowitz heißt der windige Typ, den er in der Ökofantasie Downsizing von Alexander Payne spielt. Wenn Waltz diesen Namen ausspricht, klingt das fast wie Duchamp – von einem serbischstämmigen Wodkaschmuggler zum Erfinder des Readymades ist es zwar ein gewaltiger Umweg, Waltz überbrückt ihn aber locker. Er grinst den Abstand einfach weg.

Die englische Sprache hat für das, was er nicht nur in diesem Film tut, ein schönes Wort: Waltz ist ein "ham", ein "Schinken", also jemand, der sich seiner Wirkung nur zu bewusst ist, sie deswegen aber nur umso mehr genießt. Ein "ham" trägt nie dünn auf, sondern immer dick – und bevorzugt sich selbst. Selbst das Subtile wird für so jemand zu einer großen Show. Denken wir an die großartig sadistische Szene in Quentin Tarantinos Inglourious Basterds: Ein deutscher Besatzer sitzt da einer Pariser Jüdin gegenüber und macht sie fertig, indem er ihr Strudel kredenzt, selbstverständlich mit Schlag. Waltz spielte in dieser Szene vor allem den Selbstgenuss des Offiziers, der sich für kultiviert hält, es auf eine gewisse Weise auch ist – es ist der plakativste Moment in dem an solchen Momenten nicht armen Inglourious Basterds, aber zugleich einer der wahrhaftigsten.

Ohne Tarantino wäre Christoph Waltz nicht der Star, der er heute ist, mit Zweitwohnsitz in Los Angeles und einer Schurkenrolle in einem James-Bond-Spektakel als schauspielerischem Adelsausweis. Als in der Koproduktion Inglourious Basterds die halbe deutsche Schauspielelite Auftritt bekam, da war Waltz der Einzige, der diese Chance richtig nützen konnte – oder auch der Einzige, der etwas anbot, was neben der hölzernen Selbstironie eines Brad Pitt wirklich originell wirken konnte: eine fiese Selbstironie, die selbst das breitbeinige Schundkinopathos von Tarantino noch unterlief. In Django Unchained war das dann schon Attitüde, und Waltz sah eher aus wie ein irrtümlich aus dem Karl-May-Universum (Lord Castlepool!) ins Leonische gefallener Piefke. Die Konsequenz: Er trug mehr Schinken auf.

An dem Tribute, den die Viennale Christoph Waltz widmet, fällt auf, wie wenig es aus der Zeit vor Tarantino offensichtlich zutage zu fördern gibt: Das Psychiatriedrama Kopfstand (1981) von Ernst Josef Lauscher war ein wichtiger Schritt für den österreichischen Film, steht in der Karriere von Waltz aber isoliert. Den Roy-Black-Film Du bist nicht allein (1996) von Peter Keglevic kann man als Debüt der Waltz-Persona sehen: sein Grinsen (das Black allerdings vergeht).

Vielleicht trifft einer der schlechteren Tim-Burton-Filme etwas an Waltz, was bei Dusan Mirkowitz dann endgültig in reine Show umschlägt. In Big Eyes spielt Waltz einen Hochstapler, Nachmaler und schlechten Künstler. Die sechs Filme in dem Tribute kann man auch als Studie über einen Schauspieler sehen, der in ein Rollenbild geraten ist, aus dem er sich mit immer dickeren Schichten von (Ready-made-)Ironie nicht befreien wird. So er denn überhaupt möchte. Denn es lebt sich ja eigentlich sehr gut als Markenzeichen in Schinken. (Bert Rebhandl, 24.10.2017)