Man will ja, getreu der neuen Linie, keine Forderungen stellen, aber Thomas Stelzer hätte "politische Schwergewichte im Angebot".

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STANDARD: Haben Sie den Sekt für die türkise Kanzlerfeier schon eingekühlt?

Stelzer: Ich gehe davon aus, dass wir mit Sebastian Kurz den Kanzler stellen werden, was mich natürlich freut. Aber wir werden nicht übertrieben feiern. Und der Sekt wird ohnedies erst dann aufgemacht, wenn alles fix ist.

STANDARD: Weil vielleicht jetzt doch noch eine gewisse rot-blaue Unsicherheit vorherrscht?

Stelzer: Wir sehen das sehr realistisch und natürlich auch mit einiger Skepsis, dass es diese Kontakte zwischen SPÖ und FPÖ und damit die Möglichkeit dieser Mehrheit gibt. Man muss mit einiger Relevanz damit rechnen. Aber natürlich gehen wir davon aus, dass an dieser Eindeutigkeit des Sieges von Sebastian Kurz niemand groß herumdeuteln wird.

STANDARD: Möglich wäre ja auch die Fortführung einer großen Koalition. Völlig illusorisch für Sie?

Stelzer: Wir werden mit allen reden. Und mit der Gruppe, mit der die meisten Übereinstimmungen möglich sind, können wir eine Regierung bilden.

STANDARD: Unmittelbar nach der Wahl haben Sie aber noch deutlich weniger offen in die rote Ecke geblickt und gemeint, das Wahlergebnis zeige, "dass der Stillstand und das Herumgeeiere der letzten Jahre beendet werden sollen".

Stelzer: Dazu stehe ich auch. Dennoch werden wir mit der SPÖ reden. Auch wenn es durchaus schwierig werden wird.

STANDARD: Die FPÖ stellt vor den ersten Verhandlungen klare Bedingungen und fordert das Innenministerium. Gibt es da auf ÖVP-Seite einen Verhandlungsspielraum?

Stelzer: Grundsätzlich gilt, dass man in Regierungsverhandlungen mit einer Grundsatzüberzeugung und auch mit einem konkreten Programm hineingehen soll. Aber dem möglichen Partner schon vorab auf den Tisch zu legen, was sein muss und was alles nicht sein darf, ist nicht mein Zugang.

STANDARD: Womit Sie elegant der Frage ausgewichen sind. Ist FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache als Innenminister für Sie vorstellbar?

Stelzer: Ich werde jetzt sicher nicht irgendwelche An- oder Absagen zu bestimmten Personen machen. Noch einmal: Wir reden offen mit allen. Dabei geht es zunächst noch nicht um irgendwelche Positionen. Dieses Ringen um jedes Amt ist nicht zielführend. Wobei eines für uns ohnehin klar ist: Der Bundeskanzler heißt Sebastian Kurz.

STANDARD: Sie haben zügige Verhandlungen gefordert und davor gewarnt, nicht "um den heißen Brei" zu reden. Wann steht die neue Bundesregierung?

Stelzer: Es wird sich sehr rasch zeigen, wer es wirklich ernst meint. Unsere Positionen sind bekannt, da kann man also schnell in die Tiefe gehen. Aber es wäre unseriös, jetzt ein konkretes Datum zu nennen.

STANDARD: Gibt es überhaupt inhaltliche Bruchlinien mit der FPÖ?

Stelzer: Wir werden bei allen Parteien Bruchlinien finden. Die Frage ist nur, ob man zu einem gemeinsamen Ziel findet.

STANDARD: Die internationalen Schlagzeilen zur Nationalratswahl hatten meist einen gemeinsamen Tenor: "Österreich biegt scharf rechts ab." Schmerzt Sie so eine Einschätzung – oder liegt man vielleicht gar nicht so falsch damit?

Stelzer: Also ich finde es zunächst beachtlich, dass über den möglichen jüngsten Regierungschef der Welt geschrieben wird. Und der Tenor der internationalen Medien vor allem ist, dass es mit Sebastian Kurz einen klaren Sieger gibt.

STANDARD: Ich versuche es noch einmal: Nicht der Wahlsieger wird bejubelt, sondern vielmehr ein Rechtsruck kritisch angeführt ...

Stelzer: Es gibt halt leidvolle Erfahrungen mit internationalen Reaktionen in Österreich. Aber wir werden mit Inhalten überzeugen – auch die kritische Presse.

STANDARD: Sie sind einer der Wegbereiter der schwarz-blauen Koalition in Oberösterreich – haben also entsprechend blaue Erfahrung. Inwieweit werden Sie diese jetzt in die Verhandlungen einbringen?

Stelzer: Wir haben auf Bundesebene überhaupt noch nicht festgelegt, wie die Verhandlungsrunden besetzt werden. Aber natürlich werde ich auch meine Erfahrungen einbringen.

STANDARD: In Oberösterreich hat sich deutlich gezeigt, dass der schwarz-blaue Kurs in manchen Bereichen ein durchaus harter sein kann: Das Sozialgeld für Großfamilien wurde auf 1500 Euro gedeckelt. Auch die Mindestsicherung für Asylberechtigte wurde deutlich gekürzt. Sind das auch die Vorgaben für die Bundesebene?

Stelzer: Wir halten diese Reformen für sinnvoll, darum haben wir es auch gemacht. Es wäre daher höchst sinnvoll, das auch österreichweit so zu regeln.

STANDARD: Im Wahlkampf wurde alles Parteichef Sebastian Kurz untergeordnet. Besteht nicht die Gefahr, dass die Ein-Mann-Strategie ein Ablaufdatum hat und der jetzt über Monate stillschweigende Parteiapparat aus der "Jung, fesch, dynamisch"-Linie ausschert?

Stelzer: Es zählen Persönlichkeiten. Sebastian Kurz hat ein modernes Führungsverhalten, und es tut uns als ÖVP gut, uns diszipliniert an diese neuen Strukturen zu halten.

STANDARD: Aber Besetzungswünsche werden wohl weiter in Wien deponiert. Wie viele Oberösterreicher braucht die neue Regierung?

Stelzer: Wir haben einige politische Schwergewichte im Angebot. Aber ich werde keine medialen Messlatten definieren.

STANDARD: Wird ÖAAB-Obmann August Wöginger neuer ÖVP-Klubobmann?

Stelzer: Das würde mich natürlich freuen. Aber die Entscheidung liegt bei Sebastian Kurz.

STANDARD: Und Wirtschaftslandesrat Michael Strugl soll schon länger mit dem Finanz- oder Wirtschaftsministerium liebäugeln.

Stelzer: Wir sind ein starkes Team in Oberösterreich. Und es spricht für seine gute Arbeit, dass er auch für anderes im Gespräch ist. (Markus Rohrhofer, 22.10.2017)