Vor Beginn des Brexit-Gipfels in Brüssel schloss Bundeskanzler Christian Kern eine rot-blaue Koalition de facto aus.

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Brüssel/Wien – Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) schließt die Möglichkeit einer rot-blauen Koalition de facto aus. Befragt, ob es überhaupt noch Chancen dafür gebe, sagte Kern Freitag vor Beginn des Brexit-Gipfels der 27 Staats- und Regierungschefs der EU in Brüssel, diese lägen "im Tausendstel-Promille-Bereich, würde ich einmal formulieren".

Darauf angesprochen, dass die SPÖ langsam in Gespräche mit der FPÖ eintreten müsste, sollte Rot-Blau überhaupt noch eine Option sein, nachdem ÖVP und FPÖ schon inoffizielle Gespräche geführt haben, meinte der Kanzler: Er habe immer gesagt, "dass die logische Konsequenz des Wahlergebnisses eine schwarz-blaue Regierung" sei. "Ich bin überzeugt, dass es so sein wird."

Kern erwartet "harte rechte Ausrichtung" von Schwarz-Blau

Die SPÖ stehe aber "für Gespräche offen". Dabei gehe es um inhaltliche Auseinandersetzungen und nicht um ein dogmatisches Ein- oder Ausschließen von irgendjemandem. Es sei bei Schwarz-Blau jedoch "von Anfang an klar gewesen, dass es in die Richtung gehen wird. Beide Parteien haben Programme, die nahezu wortident sind. Man fragt sich, wer von wem abgeschrieben hat. Wirtschaftspolitisch und migrationspolitisch wird das eine harte rechte Ausrichtung. Dass wir wenige Gemeinsamkeiten finden würden, ist sonnenklar."

Eine etwas andere Rechnung präsentierte Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ). Er bezifferte die Wahrscheinlichkeit einer schwarz-blauen Regierung mit 95 Prozent.

Bei seinem Treffen mit Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) am Donnerstag habe man ganz sicher nicht Schwarz-Rot ausgelotet, sagte Doskozil bei einer Pressekonferenz anlässlich des Nationalfeiertags nächste Woche. Die SPÖ sei für Gespräche offen, er halte aber Schwarz-Blau für so gut wie fix, nicht zuletzt weil deren Programme "fast ident sind".

Doskozil trifft demnächst auch Brandstetter

Treffen mit Ministerkollegen seien "üblich, wir treffen uns regelmäßig", erklärte Doskozil. Es sei weit hergeholt, wenn man glaubt, dass zwei Minister öffentlich über die Regierungsbildung verhandeln. "Wir treffen uns meistens dort, weil wir dort gemeinsam eine rauchen", so Doskozil zum Treffen mit Sobotka in einem Wiener Hotel. Man habe natürlich auch über die aktuelle Situation gesprochen, aber die Spekulationen der Medien seien "überzogen und überhitzt". Es wäre nicht normal, wenn sich Minister nicht mehr treffen könnten.

Doskozil "verriet" auch gleich, dass er am Samstag Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) treffen werde, weil er zu dessen Geburtstagsfeier eingeladen sei. Auch dort werde es keine "Geheimgespräche" geben.

Seine eigene Zukunft ließ Doskozil offen. Er werde zunächst das Nationalratsmandat annehmen. Ob er es aber behält, in die Wirtschaft wechselt oder in seinen alten Beruf als Polizeibeamter zurückkehrt, weiß der Minister nach Eigenangaben noch nicht.

Voves würde bei Rot-Blau Parteibuch zurücklegen

Käme es doch zu einer Koalition zwischen SPÖ und FPÖ, würde der frühere steirische Landeshauptmann und SPÖ-Chef Franz Voves sein Parteibuch zurücklegen, sagte er in dem TV-Magazin "Im Kontext", das von dem Online-Portal Addendum produziert wird.

"Für diesen Fall, dass die österreichische Sozialdemokratie mit der Freiheitlichen Partei koaliert, würde ich meine Parteimitgliedschaft zurücklegen. Weil man mit dieser Partei, mit Hofer und Co, als Sozialdemokrat auf keinen Fall gemeinsame Politik machen sollte", kündigte Voves an. Er befürwortet – nach dem steirischen Modell – eine "Reformpartnerschaft" zwischen SPÖ und ÖVP. (APA, 20.10.2017)