Bild nicht mehr verfügbar.

Salvini macht nur unwillig Stimmung für die Referenden.

Foto: Matteo Bazzi/ANSA via AP

Zunächst hatte man sich in der Lombardei und in Venetien von der Abstimmung in Katalonien noch Rückenwind für die eigene Causa erhofft. Doch angesichts der schweren Staatskrise dort betonen die norditalienischen Autonomisten nun die Unterschiede: "Was in Katalonien vor sich geht, ist erschreckend. Aber das Referendum über die Autonomie Venetiens hat mit der Abstimmung in Spanien nichts gemein: Die Katalanen wollen weg von Spanien, während Venetien in Italien bleiben wird", betont der Präsident Venetiens, Luca Zaia. Ähnlich spricht auch sein lombardischer Kollege Roberto Maroni.

In der Tat sind die Autonomie-Abstimmungen am kommenden Sonntag in den beiden norditalienischen Regionen nicht annähernd so radikal wie jene in Katalonien. Die Lombarden und Veneter sollen lediglich die Frage beantworten, ob man sich dafür einsetzen soll, in bestimmten Bereichen mehr Gestaltungsfreiheit zu erlangen. Von Unabhängigkeit ist nicht die Rede. Außerdem hat man für die Abstimmungen auch den politischen und juristischen Segen aus Rom.

Vor allem in Venetien haben Autonomiebestrebungen eine lange Tradition; die Lombardei mit ihrer Metropole Mailand, die sich insgeheim als wahre Hauptstadt Italiens fühlt, ist erst unter Lega-Nord-Politiker Maroni auf den Referendumszug aufgesprungen. Kritiker werfen den Initianten vor, 50 Millionen Euro schlicht zu verschwenden: In der italienischen Verfassung sei bereits seit 2001 vorgesehen, dass Regionalregierungen Verhandlungen über mehr Autonomie verlangen können. Genau solche führt seit einiger Zeit die Emilia-Romagna – und zwar ohne vorherige Befragung.

Nur 40 Prozent wollen abstimmen

Im Moment zittern die beiden Lega-Nord-Politiker Maroni und Zaia um die Stimmbeteiligung: Laut Umfragen werden bestenfalls 40 Prozent der Wahlberechtigten abstimmen gehen – ein Desaster: In Venetien wären für das Referendum 50 Prozent nötig. Unterstützt werden die Referenden nicht nur von der Lega Nord, sondern auch von Berlusconis Forza Italia und von der Protestbewegung M5S des Exkomikers Beppe Grillo und einigen prominenten Sozialdemokraten.

Ein Grund für das vergleichsweise geringe Interesse ist schnell gefunden: Lega-Nord-Chef Matteo Salvini hat das einstige Kernanliegen der separatistischen Bewegung, nämlich den Kampf gegen das "räuberische Rom", längst aufgegeben. Salvini ist dabei, aus der Lega Nord eine rechtsnationale – und rassistische – Partei nach dem Vorbild des französischen Front National zu formen. Für Parteigründer Umberto Bossi hätten die beiden Referenden die Erfüllung eines langgehegten Traums bedeutet – für seinen Nachfolger Salvini sind sie hingegen eher lästig.

Dennoch: Die "norditalienische Frage" ist nach wie vor ungelöst. Jedes Jahr fließen aus dem produktiven Norden etwa 100 Milliarden Euro an Steuergeldern in die zentralen und südlichen Regionen des Landes, 54 Milliarden allein aus der Lombardei. Der sogenannte "residuo fiscale" (die Differenz zwischen eingehobenen Steuern und dem, was in Form von zentralstaatlichen Dienstleistungen und Transfers wieder in die Region zurückfließt) bleibt ein Ärgernis für viele Bürger.

Das liebe Geld

Viele Lombarden sehen nicht ein, weshalb die Region Sizilien 28.000 Förster beschäftigt, während die Lombardei mit ihrer deutlich größeren Waldfläche nur 3000 benötigt. Und sie halten es auch für unangemessen, dass der sizilianische Regionalpräsident mehr verdient als US-Präsident Donald Trump.

Maroni und Zaia haben mehrfach betont, dass im Fall eines Ja künftig mindestens die Hälfte des "residuo fiscale" in ihren Regionen verbleiben soll. Das ist eine Forderung, die zweifellos von der Mehrheit der lombardischen und venetischen Bevölkerung unterstützt wird. Schönheitsfehler: Von dieser Forderung steht im offiziellen Text zu den Referenden kein Wort. (Dominik Straub aus Rom, 21.10.2017)