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Als die Uhr 10 zeigte, standen die Zeichen in Katalonien auf Eskalation.

Foto: REUTERS/Gonzalo Fuentes

Es ist ein Trauerspiel in Endlosschleife. Kataloniens Regierung hat sich und die Bevölkerung nun tatsächlich an den Rand einer Zwangsverwaltung gebracht. Wofür? Um eine Inszenierung durchzuziehen, bei der von Anfang an kein Happy End zu erwarten war? Was hätte Katalonien finanziell davon, aus der EU auszutreten und den Euro als Währung zu verlieren? Schon die Aussicht auf ein derartiges Szenario hat etliche Konzerne und Firmen aus Barcelona vertrieben.

Ja, auch Spaniens Premier Rajoy hat gravierende Fehler gemacht. Hätten er und seine Partei nicht in den letzten Jahren die Bemühungen um mehr Autonomie in Katalonien immer wieder blockiert, wäre keine derartig starke Bewegung in Katalonien entstanden. Und die Katalanen hätten wohl nicht aus Protest eine separatistische Regierungskoalition gewählt, die nur ein Ziel einte: ihre nationalistische Vorstellung von einem unabhängigen Katalonien Realität werden zu lassen. Das Wohl aller Katalanen ist unter diesem Fokus nur ein willkommener Aufhänger, aber kein reales Anliegen.

Nun hat die Regionalregierung unter Carles Puigdemont auch eine zweite Frist verstreichen lassen, bis zu der es klarzustellen galt, ob er nun bereits die Unabhängigkeit Kataloniens erklärt hat – oder eben nicht. Er sandte einen zweiten unkonkreten Brief, in dem er sein Dialogangebot erneuert. Sollte sich Madrid Gesprächen weiter verschließen, würde Puigdemont den Prozess der formellen Unabhängigkeitserklärung fortsetzen. Was für eine Taktik ist das? Wenn ihr nicht mit uns über das verhandelt, was ihr nicht wollt, reden wir nicht? Es könnte ja irrtümlich eine Lösung zustande kommen. Dass Madrid doch einlenkt und reden will, ist unwahrscheinlich. Und es würde nicht aus der Endlosschleife führen. Man erinnere sich: Puigdemont will zwar einen Dialog, aber nur über die Abspaltung.

Was jetzt?

Madrid hat für Samstag eine Sondersitzung angekündigt, um den Verfassungsartikel 155 anwenden zu können und damit den Prozess einzuleiten, der de facto Katalonien die Autonomie entziehen wird. Der Artikel käme erstmals zum Einsatz, seit die Verfassung existiert. Einen letzten Ausweg würde es noch für Puigdemont geben, sein Gesicht zu wahren. Er könnte selbst vorgezogene Neuwahlen für das Regionalparlament in Barcelona ansetzen und zugeben, dass sein Unterfangen krachend gescheitert ist.

Diese würden dann zwar nach spanischem Wahlrecht ablaufen, Katalonien hat ja kein eigenes, aber zumindest hätten es die Katalanen selbst in der Hand, diesen Weg zu beschreiten, und müssten nicht durch Madrid dazu gezwungen werden. Wahlen wären dann so etwas wie eine zweite, selbstgewählte und legale Abstimmung über die Richtung, in die die autonome Gemeinschaft Katalonien gehen soll. Diese Option besteht konkret bis zu dem Moment, in dem der Senat – vermutlich in wenigen Tagen – über den Plan der Regierung abstimmt, wie genau der vielzitierte Artikel 155 zur Anwendung kommt. (Manuela Honsig-Erlenburg, 19.10.2017)