Ab 2018 gilt für größere Unternehmen eine verpflichtende Frauenquote im Aufsichtsrat.

Illustration: Davor Markovic

"Ich bin keine Quotenfrau und war Quoten gegenüber auch immer skeptisch. Ich glaube aber, dass sie für eine Übergangszeit ihre Berechtigung haben können – nicht als Allheilmittel, aber als Krückstock. Als letztes Mittel." 2010 schrieb das die damalige EU-Justizkommissarin Viviane Reding in der FAZ über verpflichtendeFrauenquoten in Aufsichtsräten, wie es sie etwa in Norwegen schon lange gibt.

Rund acht Jahre später wird ihre Initiative auch in Österreich umgesetzt. Am 1. 1. 2018 tritt das Gleichstellungsgesetz von Frauen und Männern im Aufsichtsrat (GFMA-G) in Kraft. Damit müssen in den Aufsichtsräten von Aktiengesellschaften, SEs, GmbHs und Genossenschaften beide Geschlechter in einem Mindestausmaß von jeweils 30 Prozent vertreten sein, wenn eine Gesellschaft börsennotiert ist oder mehr als 1000 Arbeitnehmer beschäftigt.

Bisher galt im Aktienrecht lediglich die Zielbestimmung der angemessenen Berücksichtigung der Diversität des Aufsichtsrats im Hinblick auf die Vertretung beider Geschlechter.

Aspekte der Diversität berücksichtigen

Bereits 2012 schlug die EU-Kommission für börsennotierte Gesellschaften eine verpflichtende Frauenquote in Aufsichtsräten vor. 2015 verankerte schließlich der deutsche Gesetzgeber eine Frauenquote von 30 Prozent für börsennotierte Aktiengesellschaften im dAktG.

Österreich war zu diesem Zeitpunkt noch nicht so weit. Seit 2011 gab es auf Basis eines Ministerratsbeschlusses die Verpflichtung, bei Aufsichtsratsbesetzungen in staatsnahen Betrieben bis 2018 eine Frauenquote von 35 Prozent zu erreichen; laut Frauenministerium wurde dieser Wert bereits 2016 überschritten.

2012 wurde die Regel in den österreichischen Corporate-Governance-Kodex aufgenommen, dass für die Zusammensetzung von Aufsichtsräten Aspekte der Diversität im Hinblick auf unter anderem die Vertretung beider Geschlechter angemessen zu berücksichtigen sind. Diese Regel wurde gleichlautend in das Aktiengesetz übernommen.

Unklar blieb jedoch die rechtliche Qualität dieser Zielbestimmung, insbesondere die Rechtsfolgen einer Nichterfüllung. Erst die Erlassung des GFMA-G hat diese Frage geklärt: Wäre der Gesetzgeber der Ansicht, dass die bisherige Regelung zur Vertretung beider Geschlechter in den Aufsichtsräten verpflichtet, wäre eine Geschlechterquote nicht notwendig gewesen.

Mehr als das deutsche Modell

Im Arbeitsprogramm 2017/18 der Bundesregierung vereinbarten die Regierungsparteien die Festlegung einer Frauenquote von 30 Prozent nach dem deutschen Modell in Aufsichtsräten von börsennotierten Unternehmen sowie Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern.

Tatsächlich geht die österreichische Regelung jedoch über das deutsche Modell hinaus, da in Deutschland die Quote nur für börsennotierte Gesellschaften gilt, deren Aufsichtsrat paritätisch, also nicht drittelparitätisch wie in Österreich, besetzt ist. Dies setzt jedoch eine Arbeitnehmeranzahl von 2000 voraus. Die österreichische Quote gilt darüber hinaus auch für GmbHs, Genossenschaften und SEs.

Das GFMA-G legt keine Frauenquote fest, sondern verankert im Sinne des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebots die Geschlechterdiversität. Ab 2018 muss bei der Neuwahl in den Aufsichtsrat börsennotierter AGs sowie von Gesellschaften mit mehr als 1000 Arbeitnehmern der Aufsichtsrat zumindest mit 30 Prozent Frauen oder 30 Prozent Männern besetzt werden.

Wird ein vakanter Sitz nicht nachbesetzt, bleibt der Aufsichtsrat trotz Nichterfüllung der Quote gesetzeskonform. Die Quote gilt nicht in Unternehmen, in denen der Aufsichtsrat aus weniger als sechs Kapitalvertretern und deren Belegschaft zu weniger als 20 Prozent aus Männern oder Frauen besteht. Unternehmensweite Boys-Clubs oder Girls-Clubs können daher unter sich bleiben.

Die 30-Prozent-Quote muss von den Kapital- und den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat gemeinsam erfüllt werden. Wird die Quote von einer Seite nicht erfüllt, hat die andere Seite die Quote aufzufüllen. Legt diese Seite dann Widerspruch ein, ist die Quote getrennt zu erfüllen. Sowohl Kapital- als auch Arbeitnehmervertreter sind jedoch auch berechtigt, auf ihr Widerspruchsrecht zu verzichten. Die Praxis in Deutschland zeigt, dass dort häufig für die getrennte Quotenerfüllung optiert wird.

Für Verstöße gegen die Bestimmungen des GFMA-G sieht der Gesetzgeber die härteste Sanktion vor: Erfolgt eine Aufsichtsratswahl unter Verstoß gegen die Quote, wird die Wahl der Kandidaten, ab der die Quote nicht erfüllt wird, nichtig. Diese Sanktion des "leeren Stuhls" folgt der Regelung des dAktG und der Regelung des öAktG im Fall der Überschreitung der zulässigen Mandatshöchstzahl durch einen Kandidaten.

Türen für Umgehungen offen

Allerdings überrascht es, dass der Gesetzgeber Umgehungen der Frauenquote Tür und Tor öffnet. So gilt die Quote nicht, wenn der Aufsichtsrat auf maximal fünf Kapitalvertreter verkleinert wird oder etwa durch Umgründungen die Arbeitnehmeranzahl pro Unternehmen auf weniger als tausend verringert wird. Will es der Gesetzgeber den Boys-Clubs tatsächlich so einfach machen, bestens geeignete Frauen vom Aufsichtsrat fernzuhalten? (Albert Birkner, Nadine Leitner, Wirtschaft & Recht Journal, 19.10.2017)