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Im Gedenken an das Attentat auf die maltesische Journalistin Caruana Galizia vom Montag versammeln sich Menschen vor dem Regierungssitz in Valletta.

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Hatte viele Feinde: Daphne Caruana Galizia.

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Sie ist stattliche 47,55 Meter lang, bietet zwölf Gästen und zehn Crew-Mitgliedern Unterschlupf und wird von zwei kräftigen Caterpillar-Motoren angetrieben: Die "Princess Too" kann sich sehen lassen. Und weil ihr Besitzer Niki Lauda bekanntlich nichts zu verschenken hat, ankert sie in einer Steueroase. Wie der Ex-Rennfahrer schonen auch der Industrielle Kari Kapsch oder der Transportunternehmer Rudolf Quehenberger ihre Geldbörse, wenn es um den Standort ihrer Yachten und Segelboote geht. Am besten funktioniert das in Malta.

Die kleine Mittelmeerinsel hat ein breit gefächertes Steuervermeidungsmodell entwickelt, das nichts dem Zufall überlässt. Patentboxen, Steuervergütung für Gewinne ausländischer Firmen, attraktivste Regelungen für Glücksspiel und eben Yachtbesitzer zählen zu den vielen Zuckerln. Bei den hübschen Schiffen beispielsweise sinkt die Umsatzsteuer mit der Länge des Bootes.

Korruption, Geldwäsche und Drogengelder

Seit der Ermordung der Journalistin Daphne Caruana Galizia, deren Peugeot am Montag durch eine Plastikbombe in die Luft gesprengt worden war, steht Malta wieder im Fokus. Doch diesmal geht es nur peripher um die seit Jahren immer und immer wieder angeprangerte Steueroase, sondern um Korruption, Geldwäsche und Drogengelder. Und es geht darum, wie ernst die EU die Rechtsstaatlichkeit ihrer Mitglieder nimmt. Hier gibt es im Falle Malta massive Zweifel.

Die wurden am Mittwoch auch ziemlich deutlich artikuliert. Manfred Weber beispielsweise, Fraktionschef der Europäischen Volkspartei im EU-Parlament, fordert eine unabhängige, internationale Untersuchung des Anschlags. Und sein deutscher Parteikollege Daniel Caspary meinte, dass Valletta den Fall "nicht allein regeln" könne.

"Schweigekartell"

Nicht einmal Ungarn hat derart viel Kritik auf sich gezogen wie EU-Mitglied Malta und dessen Justizsystem. Die Liste der Vorwürfe gegen die Insel ist lang. Große Korruptions- und Geldwäschecausen seien trotz ergiebiger Ermittlungen nie angeklagt worden, erzählt der Grüne EU-Abgeordnete Sven Giegold, der Caruana Galizia kannte und mit ihr zusammenarbeitete. Er spricht von einer "Kultur der Straflosigkeit" und einem "Schweigekartell", wenn es um Finanzkriminalität gehe.

Giegold geht noch einen Schritt weiter und nimmt die EU-Kommission in die Pflicht. Angesichts der ständigen Enthüllungen über Geldwäschevorfälle hat der vor Monaten eine Anfrage an die Brüsseler Behörde gestellt, warum angesichts offenkundiger Verstöße gegen einschlägige EU-Bestimmungen kein Vertragsverletzungsverfahren gegen Malta eingeleitet wird. Die immer gleichlautende Antwort: Es dauert noch.

Giegold zieht im Gespräch mit dem STANDARD die Schlussfolgerung: Wäre die Kritik an der Justiz und dem Steuerparadies ernst genommen worden, "wäre Daphne vielleicht noch am Leben". Nun will er, dass die EU-Länder Druck auf die Kommission ausüben, damit die Behörde die Insel ins Visier nimmt. Auch dem österreichischen Europaabgeordneten Othmar Karas platzt langsam der Kragen. "Der Mord zeigt, wie tief der Sumpf aus Geldwäsche, Korruption und Steuerhinterziehung ist und wie riesig der Handlungsbedarf ist", erklärt der österreichische Delegationsleiter der ÖVP.

Regierungschef angepatzt

Auch wenn sich Politiker nicht an Verdächtigungen beteiligen, pochen sie doch auf lückenlose Aufklärung. Die ist umso sensibler, als Caruana Galizia scharfe Attacken gegen den Regierungschef geritten hatte. Seine Mutter sei ermordet worden, weil sie den Rechtsstaat beschützen wollte, schrieb Matthew Caruana Galizia auf Facebook. Er stellt einen Zusammenhang zwischen politischer Korruption und dem Attentat her.

Zuletzt ging es bei den Enthüllungen der investigativen Journalistin häufig um Regierungschef Joseph Muscat, dessen Vertraute Briefkastenfirmen in Neuseeland und Panama gegründet haben sollen. Die Verbindungen wurden später durch Dokumente, die im Rahmen der Panama Papers veröffentlicht wurden, bestätigt. Später stellte Caruana Galizia einen weiteren pikanten Zusammenhang her: Die Frau des Premiers, Michelle Muscat, habe ebenfalls eine Firma in Panama. Auf deren Konto habe die Tochter des Herrschers von Aserbaidschan Geld überwiesen. Auch in den Verkauf von Pässen soll Michelle Muscat involviert sein.

Mafiagelder

Doch nicht nur der Chef der Sozialdemokraten und viele seiner Gefolgsleute mussten sich regelmäßig mit den Enthüllungen auf "Running Commentary" – wie der Blog von Caruana Galizia heißt – herumschlagen. Auch den früheren EU-Kommissar John Dalli, der wegen Korruptionsvorwürfen zurücktreten musste, hatte die Journalistin im Visier. Dalli ist ein Konservativer, sein Parteifreund Lawrence Gonzi war bis 2013 Regierungschef. Dessen Sohn wiederum soll Verbindungen zur kalabrischen Mafia haben, berichteten internationale Medien unter Berufung auf die "Malta Files", die im Mai publik wurden. Die organisierte Kriminalität Italiens soll die florierende Glücksspielindustrie in Malta mit Drogen- und Schutzgeldern überschüttet haben. Trotz Kronzeugen würden die Ermittlungen verschleppt, so die italienische Zeitung "L'Espresso".

Malta lässt nichts aus. Ob es um Gelder des Gadaffi-Clans, der Aseris oder des Sohns des türkischen Machthabers Tayyip Erdoğan geht – im Mittelmeer fand sich immer die passende Konstruktion fürs steueroptimierte Reinwaschen der Mittel. "Malta ist ein Anziehungspunkt für schmutziges Geld", schimpft der linke Europaabgeordnete Fabio de Masi, stellvertretender Vorsitzender des EU-Untersuchungsausschusses zu den Panama Papers. (Andreas Schnauder, 19.10.2017)