Wien – Der eine ist ständig nackt, nur nicht beim Arbeiten. Aus "ästhetischen Gründen", sagt er, während sein Nachbar seelenruhig Bretter streicht: kleiderlos.

Willkommen auf dem FKK-Campingplatz Rutar Lido in Eberndorf in Kärnten, wo Nudisten und Naturisten ihrer Leidenschaft frönen. In dem idyllischen Mikrokosmos ist auch Gott nicht weit. Pater Anton sieht in einer Kapelle nach dem Rechten – allerdings mit Gewand.

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Ein paar hundert Kilometer weiter reiht sich Wohnwagen an Wohnwagen, Zelt an Zelt. Marina di Venezia heißt Europas größter Campingplatz. Auf 800.000 Quadratmetern gibt es zwar gleich 12.000 Stellplätze, aber immer noch zu wenige für den Andrang. Wenn es blöd hergeht, warten Camper drei Tage, bis sie in das hermetisch abgeriegelte Areal dürfen.

Auf dem Campingplatz selbst regiert Strenge: Von 13 bis 15 Uhr müssen die Urlauber den Pool verlassen – Mittagsruhe! Um 23.30 ist Schluss mit Fernsehen –Nachtruhe! Durchsagen erfolgen per Megafon. Natürlich mehrsprachig. "Das ist wie in der 'Truman Show'", sagt ORF-Redakteurin Nina Horowitz, die für ihre "Am Schauplatz"-Reportage zwei Campingplätze besucht und neben scheinbar grenzenloser Freiheit jede Menge Reglement entdeckt hat.

Zu sehen ist "Zuhause ist überall" am Donnerstag um 21.05 Uhr in ORF 2.

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Horowitz wollte herausfinden, warum Camping boomt, erklärt sie im Gespräch mit dem STANDARD. Im ersten Halbjahr 2017 gab es in Österreich 1,8 Millionen Übernachtungen von Campern. Das ist ein Plus von 14 Prozent.

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Der Boom hat finanzielle Gründe, aber nicht nur: Für 3.000 Euro campiert ein Ehepaar in Eberndorf ganzjährig, während in Venedig eine vierköpfige Familie für elf Tage rund 800 Euro blecht.

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Mit der Zahl der Kunden wächst auch der Grad der Professionalisierung. Viele Behausungen erinnern mit ihren Verschalungen aus Holz nur mehr entfernt an ihre eigentliche Bestimmung als temporäre Bleibe.

Auf dem Campingplatz kommen alle Schichten zusammen: "Es gibt immer was zu sehen", so Horowitz. Und zu tun: In Italien habe sich jemand beschwert, dass Ameisen in sein Zelt gekrochen seien, einem anderen war wiederum ein Vogel zu laut.

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FKK-Camping hat nichts Erotisches oder Frivoles, sagt Horowitz, dafür kann es reich an Komik sein, etwa wenn sie mit zwei nackten älteren Herren auf die Alm wandert und im Scherz gefragt wird: "Wann machen Sie sich nackig?"

Körperkult spielt keine Rolle: "Wer sich für seinen Körper geniert, ist selber schuld", sagt eine Bewohnerin, die andere: "Ich ziehe mich aus, auch wenn es nicht schön ist."

Was Horowitz machen wollte, ist eine Sendung ohne moralischen Zeigefinger, sagt sie: "Die Würde der Leute darf nicht verletzt werden." Bei vielen sei jede Menge Selbstironie im Spiel. "Das ist nicht die tiefe Schublade, und es geht nicht darum, die Quoten in die Höhe zu treiben."

Ob es schwer war, so viele vor die Kamera zu bringen? "Man muss Vertrauen aufbauen und den Leuten das Gefühl vermitteln, dass man sie weder ab- noch bewertet." (Oliver Mark, 19.10.2017)

"Am Schauplatz: Zuhause ist überall", Donnerstag, 21.05 Uhr, ORF 2

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User-Diskussion: FKK – Absolute Freiheit oder zu freizügig?

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