Koalitionsgespräche hin oder her: Michael Häupl lässt sich Warnungen vor Rot-Blau nicht verbieten.

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Michael Häupl steigt nicht herunter. Trotz der Versuche der SPÖ-Spitze, Einigkeit zu demonstrieren, legte der Wiener Bürgermeister noch eine neue – und düstere – Warnung vor Rot-Blau nach. In einer Koalition mit der FPÖ drohe es die Sozialdemokraten zu zerreißen, orakelt Häupl. "Das kann bis zu einer Parteispaltung führen."

Angefacht hat die Debatte ein Beschluss der roten Führungsetage am Montag: Die SPÖ erklärte sich offiziell bereit, Einladungen zu Koalitionsgesprächen mit ÖVP und FPÖ anzunehmen. Die dabei erzielten Ergebnisse sollen in der Folge mithilfe des parteieigenen "Wertekompasses" auf ihre sozialdemokratische Verträglichkeit abgeklopft werden.

Die Entscheidung im SPÖ-Präsidium fiel einstimmig, auch Häupl gab seinen Sanktus. Entscheidend sei ja auch nicht das Reden an sich, sondern die Konsequenzen daraus. Während sich Häupl partout keinen Pakt mit der FPÖ vorstellen kann, sehen andere namhafte Genossen in den Gesprächen nicht bloß einen Akt der Höflichkeit oder taktisches Geplänkel. "Stimmen die Inhalte, soll die SPÖ in die Regierung", sagt der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl: Dies gelte auch für eine Koalition mit der FPÖ.

Einige Rülpser in der Partei

Auf diese Linie pocht auch Baugewerkschafter Josef "Beppo" Muchitsch: Selbst wenn es jetzt einige "Rülpser" in der Partei gebe, stehe seit langem fest, dass sich die SPÖ bei Koalitionsgesprächen am Wertekompass orientieren werde – und dabei niemanden ausschließe. "Michael Häupl wird immer seine Gedanken auf der Zunge tragen, aber auch er hat für diese Vorgangsweise gestimmt", sagt der Nationalratsmandatar im Gespräch mit dem STANDARD. "Und ihm muss klar sein: Wien hat nicht mehr das letzte Wort."

Zwei Tage nach der Wahl wird auch schon heftig über mögliche Koalitionen spekuliert. Als Wahlsieger liegt es an Sebastian Kurz, mit den anderen Parteien zu reden.
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Ob seine Kollegen genauso denken, sollte sich am Dienstagabend herausstellen: Die sozialdemokratischen Gewerkschafter haben Präsidium und Vorstand zu Sitzungen einberufen. Diese waren bei Redaktionsschluss noch im Gang, doch Muchitsch hielt bereits davor für gesichert, dass die Gewerkschafter wie die Partei Koalitionsgespräche empfehlen werden: "Wir können uns demokratiepolitisch nicht verschließen, wir müssen mit beiden reden." Ein etwaiger Koalitionspakt müsse ohnehin einer Mitgliederbefragung unterzogen werden, fügt der Abgeordnete an, geht aber davon aus, "dass auch ein Arbeitspapier mit der FPÖ von einer großen Mehrheit der Mitglieder goutiert wird".

Unterzeichnen im Internet

Häupl hingegen rechnet mit dem glatten Gegenteil, und die Mobilisierung läuft bereits. In sozialdemokratischen Kreisen erfreut sich die Seite www.neinzublau.at reger Verbreitung. Die im Impressum angeführte Adresse deutet auf die roten Jugendorganisationen als Urheber hin.

"Keine Koalition mit der FPÖ! Sie steht für Ausgrenzung, Angstmache und Sozialabbau", postet die Wiener Umweltstadträtin Ulli Sima auf Facebook. Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky ringt sich auf Anfrage ein pflichtschuldiges Bekenntnis ab, dass es in einer Demokratie "immer gut" sei, Gespräche zu führen – aber: "Ich kann mir beim besten Willen kein Szenario vorstellen, bei dem am Ende Rot-Blau steht."

"Da müsste die FPÖ schon alle ihre Programme zerreißen", sagt Tirols SP-Chefin Elisabeth Blanik – ansonsten könne sie sich keinen Pakt mit den Blauen vorstellen. Dass sie sich deshalb am Montag im Parteipräsidium – wie kolportiert – gegen die offizielle Linie gewandt habe, dementiert sie: "Ich habe aber klar appelliert, unsere Werte nicht aufzuweichen."

Allerdings glaubt – oder hofft – Blanik, dass sich die Frage gar nicht stellen werde. Weil sie "in einem extrem konservativen Teil eines extrem konservativen Landstrichs" lebe, sagt die Lienzer Bürgermeisterin, könne sie ihre Gegner gut einschätzen: "Es ist sonnenklar, wohin die Reise geht. Schwarz-Blau ist programmiert." (Gerald John, Oona Kroisleitner, Walter Müller, 17.10.2017)