Innsbruck – Weltweit steigt die Zahl der von Typ-1-Diabetes betroffenen Kinder und Jugendlichen. In Österreich leiden knapp 4.000 an der Autoimmunerkrankung, sagten Experten bei einer Pressekonferenz in Innsbruck. Dort findet ab morgen bis zum 21. Oktober der weltweit größte Kongress zu Diabetes statt. Dabei stehen auch Fortschritte in der Therapie und die Anpassung von Therapiezielen im Fokus.

Über 400 Kinder und Jugendliche bzw. junge Erwachsene bis 25 Jahre erkranken in Österreich jährlich an Typ-1-Diabetes. – Ende der 1990er waren es noch rund 200. Die möglichen Ursachen für die Zunahme der Krankheitsfälle geben Forschern weiterhin Rätsel auf: "Bisher haben wir keine Erklärung für die höheren Zahlen gefunden", erklärte Sabine Hofer, Oberärztin der Diabetes-Ambulanz an der Innsbrucker Universitätsklinik für Pädiatrie I und Präsidentin des 43. Kongresses der Internationalen Gesellschaft für Diabetes im Kindes- und Jugendalter (ISPAD).

"Künstliche Bauchspeicheldrüse"

Fortschritte in der technischen Diabetestherapie und ein Umbruch in der Diskussion um den bei der Blutzuckereinstellung zentralen Hämoglobin A1c-Wert (HbA1c) lassen jedoch auf die Reduktion von Spätfolgen der Behandlung und eine Erleichterung des Alltags betroffener Kinder, ihrer Angehörigen und Betreuern hoffen.

"Closed loop system" nennt sich der Ansatz, mit dem die Bewältigung des Alltags von Typ-1-Diabetikern durch die lückenlose Anpassung des Glukose- und Insulinbedarfs optimiert werden soll. Zum Einsatz kommen dabei ein kontinuierlich messender Glukosesensor, eine Insulinpumpe und ein mobiles Gerät, das Messdaten auswertet und die Pumpe steuert.

Im Rahme des EU-Projekts "KidsAP" untersuchen Hofer und Forschungskollegen in Deutschland, Luxemburg und England in den kommenden vier Jahren die Alltagstauglichkeit der "künstlichen Bauchspeicheldrüse", mit der unter anderem die durch den kindlichen Hormonhaushalt bedingten häufigen Unterzuckerungen vermieden werden sollen. Laut Joseph Wolfsdorf, Diabetesforscher am Boston Children's Hospital und Präsident der ISPAD, zeigt der Einsatz bereits vorhandener technischer Hilfsmittel "exzellente Ergebnisse" – das Leben mit der Krankheit ist einfacher und Langzeitrisiken signifikant niedriger.

Diskussion um HbA1c-Wert

Eine zentrale Rolle, um Langzeitfolgen minimieren zu können, spielt der HbA1c-Wert. Während die Amerikanische Diabetesgesellschaft (ADA) bisher einen höheren Wert – je nach Altersgruppe zwischen 7,5 und 8 Prozent – empfahl, um Unterzuckerungen weitgehend zu vermeiden, vertritt die ISPAD eine strengere Blutzuckereinstellung mit HbA1c-Werten unter 7,5 Prozent. Zu diesem Thema wird im Rahmen der Tagung in Innsbruck eine Debatte der rund 1.500 Diabetesexperten aus aller Welt über eine mögliche Anpassung des Indikators erwartet. Kongresspräsidentin Hofer plädiert für möglichst niedrige HbA1c-Werte, "weil das mit den technischen Neuerungen möglich und vertretbar ist".

Die Schlüsselrolle in der Behandlung sehen Hofer und Wolfsdorf auch in der Aufklärung: "Schulung und Training sind von zentraler Wichtigkeit für das Leben mit einer chronischen Krankheit", so der Diabetesexperte. Besondere Bedeutung komme dabei immer mehr sogenannten "eLearning-Tools" und auch den sozialen Netzwerken zu, die über die persönliche Beratung hinaus Betroffenen und ihrem Umfeld im Umgang mit der Krankheit helfen können.

Das 43. Jahrestreffen der ISPAD findet vom 18. bis 21. Oktober in Innsbruck statt. Geladen sind Diabetesexperten aus der ganzen Welt, Blogger und App-Entwickler. Für die Dauer der Tagung wird die Innsbrucker Bergisel-Schanze blau beleuchtet und symbolisiert damit den blauen Ring der "Unite for Diabetes"-Initiative. (APA, 17.10.2017)