Der IWF feuert die Debatte um den Klimawandel neu an. Das klare Signal dabei: Die Pariser Klimaschutzziele sollten weltweit umgesetzt werden.

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Washington – Wenige Monate vor der Nationalratswahl sah es so aus, als ob in Österreich im Eiltempo noch einmal die Verfassung geändert wird. SPÖ und ÖVP hatten im Mai geplant, Wirtschaftswachstum als ein neues Staatsziel in der Verfassung festschreiben zu lassen. Während NGOs vor einer Aushebelung des Umweltschutzes warnten, sprachen sich Gewerkschaften und Unternehmensverbände dafür aus, um den Standort zu stärken.

Die Idee war aufgekommen, nachdem das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) dem Flughafen Wien den Bau der dritten Piste untersagt hatte. Die Entscheidung hatte eine breite öffentliche Debatte darüber ausgelöst, was schwerer wiegt: Klimaschutz oder Wirtschaftsinteressen. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes ist inzwischen vom Verfassungsgericht aufgehoben worden, die Debatte tobt aber weiter.

Eine neue Studie des Internationalen Währungsfonds (IWF) liefert nun neues Material für diese Diskussionen. Der IWF hat untersucht, welche wirtschaftlichen Auswirkungen die Klimaerwärmung in den kommenden Jahrzehnten haben wird. Das Ergebnis, das im Rahmen der Jahrestagung der Organisation präsentiert wurde, fällt eindeutig aus: Für den größten Teil der Welt, 60 Prozent der heute lebenden Menschen, bedeutet ein weiterer Anstieg der Temperaturen, dass das wirtschaftliche Wachstum künftig spürbar geringer ausfallen wird. Die Frage "Wachstum oder Klimaschutz?" stellt sich für die allermeisten Staaten also nicht.

Große Unterschiede

Wobei die einzelnen Weltregionen sehr unterschiedlich betroffen sind. Negativ sind die Auswirkungen vor allem für die Entwicklungs- und Schwellenländer in Afrika, Lateinamerika, Südamerika sowie in Teilen Südostasiens. In einigen Ländern, insbesondere in Zentraleuropa, gibt es laut Simulation nur sehr geringe bis gar keine Effekte höherer Temperaturen. Österreich gehört zu dieser Gruppe – könnte aber ein Sonderfall sein, doch dazu später.

In Ländern mit sehr kaltem Klima, wie etwa Kanada oder Russland, könnte die Erderwärmung sogar zu etwas mehr Wachstum führen. Dann gibt es Staaten wie die USA und China, wo einzelne Regionen stärker negativ, andere positiv betroffen sind.

Ein Team unter der Leitung der IWF-Ökonomin Petia Topalova hat zunächst Daten zu 180 Ländern seit den 1950er-Jahren analysiert. Dabei wurde untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen Temperaturveränderungen und Wirtschaftswachstum gibt. Dieser Konnex wurde gefunden: Ab einer Durchschnittstemperatur von über 13 bis 15 Grad wirkt sich eine Erwärmung laut den historischen Erfahrungen negativ auf das Wachstum aus.

Anstieg um vier Grad möglich

Deshalb werden Staaten in wärmeren Weltregionen, oft sind das Entwicklungs- und Schwellenländer, die Erderwärmung stark spüren. Der internationale Weltklimarat warnt, dass bis zum Ende des Jahrhunderts ohne Korrektur bei den Treibhausgasemissionen die Temperatur um vier Grad steigen könnte. Sollte diese Entwicklung eintreten, wird die Wirtschaftsleistung der Entwicklungsländer um fast zehn Prozent niedriger sein als ohne diesen Temperaturanstieg. Für ein typisches Schwellenland wie Vietnam oder Thailand bedeutet ein Anstieg der Temperaturen um ein Grad 0,9 Prozent weniger Wachstum in diesem Jahr. Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wirtschaft sind vielfältig. Neben der Landwirtschaft, die betroffen ist, wirken sich höhere Temperaturen in wärmeren Ländern auch auf den Sektor Bau und die Industrie negativ aus, so der IWF.

Österreich zählt zur Gruppe der Staaten, wo die Durchschnittstemperaturen unter dem Schwellenwert liegen, ab dem negative Auswirkungen erwartbar sind. Doch laut der Studienautorin Topalova könnte Österreich eine Sonderstellung einnehmen, wie sie im Standard-Gespräch sagt. Die Analyse des Fonds bezieht sich nur auf historische Erfahrungen. Topalova nennt als Beispiel die Wintertourismusindustrie. Wenn ein weiterer Anstieg der Temperaturen zu weniger Schnee im Alpenraum führt, könnte das die Wirtschaft stärker treffen, als das historische Daten erahnen lassen, erklärt Topalova.

Klares Signal

Gegen die Untersuchungsergebnisse ließe sich einwenden, dass sich Unternehmen auf eine dauerhafte Veränderung ihres Umfeldes einstellen können. Das gesteht auch Topalova zu. Doch deute aus heutiger Sicht nichts darauf hin, dass damit sämtliche negative Konsequenzen abgefangen werden könnten. Die Ökonomin wertet die Ergebnisse als klares Signal dafür, dass die Pariser Klimaschutzziele weltweit umgesetzt werden sollten. (szi aus Washington, 15.10.2017))