"Wählen ab 16" sollte auch in anderen EU-Ländern Schule machen.

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Vor zehn Jahren wurde in Österreich das Wahlalter herabgesetzt. Jugendliche, die am Wahltag das 16. Lebensjahr vollendet haben, dürfen seither bei Nationalratswahlen, bei Gemeinderats-, Landtags- und Bundespräsidentenwahlen und bei den Wahlen zum Europäischen Parlament ihre Stimme abgeben. Österreich ist bislang das einzige EU-Land, in dem die Teilnahme an nationalen sowie an den Wahlen zum Europäischen Parlament ab 16 erlaubt ist.

Die Erwartungen im Vorfeld der Wahlrechtsreform waren entsprechend hoch. Durch das frühe Einbinden der Jugend in den politischen Gestaltungsprozess erhoffte man sich eine Zunahme ihres politischen Interesses und Wissens. Auf lange Sicht sollte sich das wiederum positiv auf die Wahlbeteiligung auswirken. Die Kritiker hingegen warnten gerade vor dem mangelnden politischen Interesse und Wissen von 16- bis 17-Jährigen. Sie seien noch nicht reif genug, um politisch informierte Entscheidungen zu treffen.

Durchwachsene Bilanz

Seit der Herabsetzung des Wahlalters haben in Österreich zwei Europawahlen, zwei Bundespräsidentenwahlen, zwei Nationalratswahlen sowie verschiedene Wahlen auf Landes- und Gemeindeebene stattgefunden. Die dritte Nationalratswahl, bei der 16-Jährige wählen können, steht unmittelbar vor der Türe.

Welche Bilanz lässt sich also zehn Jahre nach der Herabsetzung des Wahlalters in Österreich ziehen? Haben die Befürworter oder die Kritiker Recht behalten? Unterschiedliche Vor- und Nachwahlbefragungen sowie Analysen des Erstwählerverhaltens bei der Nationalratswahl 2013 und 2017 kommen auf den ersten Blick zu einem durchwachsenen Ergebnis. Demnach gingen Österreichs Erstwähler bei der Nationalratswahl 2013 weitaus seltener zur Wahl als ältere Wähler. Die berichtete Wahlbeteiligung lag bei den 16 bis 17-Jährigen bei 63 Prozent und somit deutlich unter der allgemeinen Wahlbeteiligung von 80 Prozent. Auch das politische Interesse der Erstwähler lag deutlich unter jenem der älteren Wählergruppen.

Politisches Interesse

Zwischen 2013 und 2017 ist allerdings das Interesse der 16 bis 20-Jährigen merklich gestiegen. Während 2013 nur rund 25 Prozent aller Erstwähler sehr oder ziemlich an Politik interessiert waren, sind es aktuell 60 Prozent. Auch die Wahrscheinlichkeit, zur Wahl zu gehen, hat sich gegenüber 2013 deutlich erhöht. Damals wollten 70,3 Prozebnt der 16 bis 20-Jährigen ihre Stimme abgeben, 2017 sind es bereits 85,1 Prozent.

Ob Jugendliche wählen wollen, hängt stark von ihrem politischen Interesse ab. Während in der Gruppe der nicht beziehungsweise wenig an Politik interessierten Jugendlichen lediglich vier von fünf zur Wahl gehen wollen, sind es bei den sehr beziehungsweise ziemlich Interessierten immerhin fast 90 Prozent. Zielgruppengerechte Informations- und Aktivierungsangebote können helfen, Interesse zu wecken. Insbesondere Politische Bildung in der Schule trägt wesentlich dazu bei, Wissen zu fördern und dadurch letztlich die allgemeine Wahlbeteiligung zu erhöhen.

Positiver Trend

Aus demokratiepolitischer Sicht hat sich die Herabsetzung des Wahlalters in Österreich jedenfalls ausgezahlt. Der positive Trend wird sich möglicherweise auch bei der am Sonntag stattfindenden Nationalratswahl fortsetzen.

In Kombination mit begleitenden schulischen und außerschulischen Maßnahmen und Informationsangeboten sollte "Wählen ab 16" auch in anderen EU-Ländern Schule machen. Die Europäische Integration würde von einer stärkeren Mitbestimmung der Jugend auf allen politischen Ebenen jedenfalls profitieren. (Paul Schmidt, 14.10.2017)