Luxemburg – Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat am Freitag die von Österreich bei der EU beantragte Fortsetzung der Grenzkontrollen verteidigt. "Aufgrund der angespannten Sicherheitslage sowie bestehender Defizite beim Schutz der EU-Außengrenzen und illegaler Sekundärmigration sind Kontrollen an unseren Grenzen weiterhin erforderlich", erklärte Sobotka. Das entsprechende Schreiben sei bereits an Innenkommissar Dimitris Avramopoulos ergangen.

Die Kontrollen betreffen Slowenien und Ungarn. Zudem werde Österreich am Brenner eine Station in Betrieb nehmen, die Güterzüge aufhalten könne, "weil wir verstärkt ein Aufkommen über den Güterzugsektor sehen, das Flüchtlinge das nutzen", so Sobotka.

Die EU-Innenminister beraten am Freitag in Luxemburg erstmals über den Vorschlag der EU-Kommission für eine Verlängerung der Grenzkontrollen um bis zu drei Jahre bei Terrorgefahr. Unabhängig davon haben Österreich, Deutschland, Frankreich, Schweden, Dänemark und Norwegen bereits eine Verlängerung ihrer Kontrollen um weitere sechs Monate ab dem 12. November beantragt.

Avramopoulos will "Schengen verteidigen"

Als politisches Ziel der EU-Kommission nannte Avramopoulos, den Grenzverkehr im Schengenraum kontrollfrei zu halten. Der Reformvorschlag der Kommission soll die Schengenzone umfassend bewahren. Schengen sei ein Symbol europäischer Integration. "Es ist unsere Pflicht, Schengen zu verteidigen und zu bewahren", sagte Avramopoulos. Er teile zwar die Sorge mancher Staaten bezüglich der Sicherheit, "aber Schengen ist am Leben. Schengen muss am Leben bleiben, und das ist unsere Pflicht, denn wenn Schengen stirbt, wird Europa sterben."

Die Kommission schlägt vor, die Dauer von sechs Monaten auf ein Jahr auszuweiten. Sie kommt damit Österreich, Deutschland, Frankreich, Schweden, Dänemark und Norwegen entgegen, die bisher Grenzkontrollen im Schengenraum durchführen. In besonders schwerwiegenden Fällen soll ein Land die Kontrollen weitere um zwei Jahre verlängern können, allerdings bedarf es dazu schon eines Ausnahmezustands oder einer höchsten Terrorwarnstufe. Generell will die Kommission die Kontrollen stärker an genaue Risikoanalysen knüpfen. Die Schengenreform muss von den Mitgliedsstaaten und dem Europaparlament beschlossen werden.

Sobotka will nationale Selbstständigkeit

Den Kommissionsvorschlag begrüßte Sobotka – bis auf eine Ausnahme. Er stößt sich daran, dass für eine weitere zweijährige Verlängerung der Kontrollen ein Ratsbeschluss notwendig sein soll. "Das können wir in dieser Form nicht akzeptieren. Da braucht es die nationale Selbstständigkeit." Österreich sitze "im Zentrum sämtlicher Routen", egal ob vom Balkan oder vom Mittelmeer ausgehend.

Für Frankreich sei die Fortsetzung der Grenzkontrollen wegen der Terrorgefahr wichtig, erklärte dessen Innenminister Gérard Collomb. Er sei sehr erfreut über den Vorschlag der EU-Kommission, "obwohl wir zu den Modalitäten noch Anmerkungen haben". Frankreich will etwa die bilaterale Zusammenarbeit der Nachrichtendienste aufrechterhalten.

Deutschland verweist auf Terrorgefahr

Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière kündigte an, dass Deutschland wegen der "angespannten Lage im europäischen Gefahrenraum" hinsichtlich Terrorismus seine Kontrollen um ein halbes Jahr verlängern werde. Deutschland habe sich dabei eng mit Frankreich, Österreich, Dänemark, Schweden und Norwegen abgestimmt. "Das ist und bleibt eine zeitlich befristete Maßnahme", versicherte de Maizière. Die Kontrollen würden der Lage angepasst und flexibel sein, sodass die Beeinträchtigung für Reisende gering bleibe.

Die Binnenkontrollen könnten aber nur eine Ausnahme und befristet sein, betonte der estnische Innenminister und EU-Ratsvorsitzende Andres Anvelte. Die EU-Staaten müssten auch andere Mittel, etwa digitale Sicherheitsinstrumente, nutzen. Über ein Ende von Schengen brauche man aber nicht zu reden.

Sobotka will bei Resettlement "Stopptaste drücken"

Die Innenminister beraten auch über den Vorschlag der EU-Kommission, in den kommenden zwei Jahren weitere 50.000 Flüchtlinge über Resettlement aufzunehmen. Sobotka lehnt jegliche Zusage ab. "Aufgrund der bisherigen Belastung werden wir für neue Vorschläge mit Sicherheit nicht offen sein, ganz einfach deshalb, weil der Verteilungsmechanismus in Europa nicht klappt." Österreich sei in den vergangenen Jahren im Spitzenfeld aller Asylanträge gestanden.

Österreich werde von Flüchtlingen wegen seiner hohen sozialen Standards als Zielland ausgesucht, erklärte Sobotka. Es gebe aber keine Möglichkeit, alle Asylwerber in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Daher werde Österreich "jetzt einmal die Stopptaste" drücken.

Außerdem diskutieren die Innenminister die Reform des EU-Asylsystems. Es gebe zwar in einzelnen Dossiers Fortschritte, sagte de Maizière, "aber nach wie vor ist das Thema der gemeinsamen Solidarität ein schwieriges". (APA, 13.10.2017)