Wien – Christian Kern und Sebastian Kurz waren eher zufällig da. Für Videos auf der Facebook-Seite von XXXLutz sind die jungen Männer mit den Politikermasken aus der Möbelhauswerbung kurz vor dem STANDARD-Interview beim Empfang der Werbeagentur Demner, Merlicek & Bergmann angekommen. Für die Fotos stellt sich Agenturpartner Mariusz Jan Demner dann mit den Models in den Hof des Bürohauses – und klemmt sich Heinz-Christian Straches Kopf unter den Arm.

Christian Kern, Mariusz Jan Demner und Sebastian Kurz (von links) mit Heinz-Christian Strache (Kopf) – nur einer davon ist echt.
Foto: andy urban

Im Gespräch schwärmt Demner vom Erfolg der aktuellen Werbung, erklärt, warum sich die karikierten Politiker eigentlich geschmeichelt fühlen sollten – und dass er froh ist, in diesem Wahlkampf keine Parteikampagne zu führen: "Und unter den Bedingungen, unter denen sich dieser Wahlkampf abspielt, ist kaum jemand zu beneiden, der da drinsteckt."

STANDARD: Sie zeichnen verantwortlich für die XXXLutz-Werbung mit den Politikermasken. Wie oft mussten Sie sich dafür schon entschuldigen?

Demner: Nicht ein einziges Mal. Bei wem sollten wir uns auch entschuldigen?

STANDARD: Man könnte ja meinen, dass Leute gerade im Wahlkampf genug Politikergesichter gesehen haben.

Demner: Wenn ich mir die Zustimmung ansehe, die wir bekommen, und welche Popularität die Werbung innerhalb weniger Tage erreicht hat – das ist eine der erfolgreichsten Kampagnen, die wir in den letzten Jahren gemacht haben. Rund eine Million Aufrufe auf Youtube und Facebook. Das Ganze geht wirklich durch die Decke, es ist ein "Smash Hit". Wir bekommen sogar aus der Branche Komplimente, wie man diesen unsäglichen Wahlkampf auf so humorvolle Art auflockern kann.

STANDARD: Einem politischen Mitbewerber hätte man die karikaturenhafte Darstellung von Sebastian Kurz' Ohren oder Christian Kerns Lippen in der Werbung nicht durchgehen lassen.

Demner: Jeder betroffene Politiker, der so abgebildet wird, müsste das doch lustig finden, es macht die Typen sympathischer, als sie sonst rüberkommen. Und man karikiert ja nicht Leute, die nichts hergeben.

STANDARD: Gehört zu einer gelungenen Werbung, dass sich manche Leute auch daran stoßen? Das Feedback ist ja nicht ausschließlich positiv.

Demner: Das gehört absolut dazu. Die Familie Putz polarisiert seit 18 Jahren, das ist ja mit ein Grund für ihren außerordentlichen Erfolg.

STANDARD: Es gibt aktuell im Wahlkampf auch eine Werbefamilie: "Die Hubers", die für die FPÖ gegen Zuwanderung mobilisieren. Finden Sie das gelungen?

Demner: Ich schaue mir FPÖ-Artikulationen ungerne an und kommentiere sie nach Möglichkeit nicht.

Werber Mariusz Jan Demner warb 2008 und 2013 erfolgreich für Werner Faymanns SPÖ – "ganz ohne Schmuddel".
Foto: andy urban

STANDARD: Welche andere politische Kampagne finden Sie gelungen?

Demner: Es gibt eine Kampagne der völligen Orientierungslosigkeit, und die vermittelt sie auch – ich möchte jetzt keine Zuweisungen machen, es ist eh schon alles gesagt worden. Und es gibt eine Kampagne, die von einem jungen Mann strategisch, mit bemerkenswerter Disziplin und außerordentlichem politischen Gespür durchgezogen wird. Das muss ich anerkennen, obwohl mir die Haltung des Kandidaten in vielen Fragen problematisch erscheint. Das Wesentliche dabei ist, dass es die Konzentration auf ein Ziel gibt, das lautet: Ich möchte am 15. Oktober Bundeskanzler werden, und ich konzentriere mich nur darauf. Das spürt man. Nur, das generelle Absinken des Niveaus – das ist ein Tiefpunkt und wird sich für niemanden auszahlen.

STANDARD: Sie haben 2008 und 2013 die Kampagnen der SPÖ kreiert. Die haben damals nicht so viel Aufmerksamkeit bekommen wie jene in diesem Wahlkampf …

Demner: Die haben enorm viel Aufmerksamkeit bekommen! Nur ganz ohne Schmuddel. Wir hatten mit Werner Faymann einen relativ unbekannten Kandidaten. Ich habe damals gesagt, es gibt nur ein Ziel: dass wir am 28. September gewinnen. Das ist uns gelungen, weil wir mit "Genug gestritten" so gut wie alle abgeholt und den Kandidaten ikonenhaft auf die Grundwerte der Partei verdichtet haben – ohne unnötige Nebengeräusche.

STANDARD: Der Wahlkampf 2017 schaut ganz anders aus. Hätten Sie gerne für eine der Parteien eine Kampagne bestritten?

Demner: So, wie sich die Dinge entwickelt haben, kann ich froh sein, dass das an mir und der Agentur vorübergegangen ist. Das Hättiwari liegt mir nicht. Wir haben stattdessen mit XXXLutz eine sympathische, alternative Wahlkampagne gemacht. Ich bin froh darüber, es ist ein enormer Erfolg. Teil eines Misserfolgs zu sein ist nie angenehm. Und unter den Bedingungen, unter denen sich dieser Wahlkampf abspielt, ist kaum jemand zu beneiden, der da drinsteckt.

STANDARD: Wie schmutzig darf eine Kampagne sein?

Demner: Wer in den Dreck greift, kriegt schmutzige Hände. Ich lehne das kategorisch ab – gar nicht aus moralischer Entrüstung. Es lohnt sich einfach viel mehr, seine Kräfte auf Insights zu konzentrieren, welche die Menschen abholen und mitnehmen. Mit dem Dreck kannst du zwar andere bewerfen, aber für dich selber tut es nichts – es kostet Kraft und fällt dann noch auf dich zurück.

STANDARD: Sie haben das "Merlicek" noch im Agenturnamen stehen, obwohl die Personen, die diesen Namen tragen, seit drei Jahren nicht mehr im Unternehmen sind. Wie lange wird das noch so sein?

Demner: Demner, Merlicek & Bergmann ist eine Marke. Die Agentur hat ihr Standing, und ich werde nie verleugnen, dass Franz Merlicek das viele Jahre mit großartiger Arbeit mitgeprägt hat. Ich sehe keinen Anlass, den Namen zu ändern. Der könnte auch die nächsten 25 Jahre so bleiben.

STANDARD: Wie ist Ihr Verhältnis zu den Merliceks heute?

Demner: Haben Sie interessantere Fragen?

STANDARD: Ihre Antwort ist ja interessant genug. Wie lange wird es die Familie Putz noch geben?

Demner: So lange sie derartig erfolgreich ist. Wenn nicht, werden wir uns etwas anderes einfallen lassen. (Sebastian Fellner, 14.10.2017)