Wien – Als die Koalition zwischen SPÖ und ÖVP im Frühjahr dieses Jahres auseinandergebrochen ist, ist neben den vielen Vorhaben, die damals auf der Strecke geblieben sind, ein für die Universitäten radikaler Plan vertagt worden: die sogenannte "kapazitätsorientierte Studienplatzfinanzierung". Würde eine künftige Regierung diese Idee umsetzen, wäre es eine der größten Reformen für die Universitäten der vergangenen Jahre.

Foto: Fatih Aydogdu

Die Ex-Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle und Reinhold Mitterlehner (beide ÖVP) hatten seit Jahren auf das Modell gepocht, waren aber beim sozialdemokratischen Koalitionspartner abgeblockt. Erst in den letzten Monaten der großen Koalition hatte Mitterlehner eine gewisse Öffnung der SPÖ bezüglich Studienplatzfinanzierung gewittert – angestoßen von der "Plan A"-Präsentation durch Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern zu Beginn des Jahres.

Doch dann war die Koalition schneller dahin, als die Studienplatzfinanzierung umgesetzt werden konnte – und so entscheidet sich durch die Nationalratswahl am Sonntag auch, was die Neuverteilung der politischen Kräfte für den Zugang zum Studium für die kommenden Generationen von Studierenden bedeuten könnte.

Offene Unis, beschränkte FHs

Bisher haben bekanntlich nur Fachhochschulen flächendeckend die Möglichkeit, ihre Studierenden auszuwählen und ihnen eine vorgegebene Zahl an Studienplätzen zuzuweisen. Die Universitäten hingegen müssen in den allermeisten Fächern für jeden einen Platz bereitstellen, der die allgemeinen Zugangsbedingungen für ein Studium erfüllt – Talent, Begabung, Testergebnisse spielen keine Rolle dabei, ob jemand einen Studienplatz bekommt. Die wichtigsten Ausnahmen des offenen Hochschulzugangs sind Medizin, Biologie, Psychologie, Publizistik, aber auch Sport, Kunst und Musik.

Die kapazitätsorientierte Studienplatzfinanzierung sieht hingegen vor, dass zuvor festgelegt wird – basierend auf Prognosen des Bedarfs zukünftiger Absolventen am Arbeitsmarkt -, wie viele Studienplätze die Unis in den jeweiligen Fächern anbieten müssen und welche dementsprechenden budgetären Mittel sie zugewiesen bekommen.

Was den Studierendenvertretern an diesem Plan so extrem missfällt, ist weniger die Studienplatzfinanzierung an sich, sondern das Attribut "kapazitätsorientiert". Denn in der Praxis können dadurch potenziell für jedes Fach Zugangsbeschränkungen eingeführt werden – nämlich dann, wenn es mehr Studierwillige gibt als finanzierte Plätze. Angesprochen auf dieses Szenario spricht die Vorsitzende der Österreichischen Hochschülerschaft, Johanna Zechmeister von den Fachschaftslisten, daher im STANDARD-Interview von einem "Horrorszenario".

Grafik: Der Standard

ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz tritt in der Frage der kapazitätsorientierten Zugangsbeschränkung in die Stapfen seines Vorgängers. Zu den Zugangsbeschränkungen, die damit jedenfalls in manchen Fächern einhergehen würden, sagt er gegenüber dem STANDARD: "Jeder Jugendliche soll an einer österreichischen Hochschule studieren können." Es sei jedoch auch ein "Gebot der Gerechtigkeit, dass wir jedem durch geregelte Zugangsverfahren an Universitäten einen qualitätsvollen Studienplatz garantieren können". Die ÖVP wolle durch "flächendeckende Zugangsregelungen den nächsten Schritt machen und die Auswahl der Studierenden in ihre Verantwortung legen" – so wie es international auch in den meisten anderen Ländern die Regel ist.

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Auch laut SPÖ-Spitzenkandidat Christian Kern brauchen die Universitäten für die Zukunft eine "kapazitätsorientierte, studierendenbezogene Unifinanzierung". Denn es bedarf "einer dringenden Verbesserung der Betreuungsverhältnisse und langfristiger Finanzierungssicherheit, damit unsere Unis an die internationale Spitze aufschließen können".

Zusätzliche Mittel

Als ersten Schritt habe die SPÖ daher "gemeinsam mit allen Fraktionen außer der ÖVP" zusätzliche Mittel für die Universitäten in der Höhe von 1,35 Milliarden Euro beschlossen. Den entsprechenden Antrag dazu hatte die grüne Abgeordnete und frühere Hochschülerschaftsvorsitzende Sigrid Maurer eingebracht. Dieser Beschluss bringe den Universitäten laut Kanzler Kern "Finanzierungs- und Planungssicherheit".

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Neos-Spitzenkandidat Matthias Strolz spricht hingegen das aus, was die SPÖ so nicht sagen will: "Eine funktionierende kapazitätsorientierte Studienplatzfinanzierung mit dem Ziel besserer Betreuungsverhältnisse setzt Zugangsbeschränkungen voraus." Wie diese konkret zu gestalten sind, will Strolz den Universitäten selbst überlassen.

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Nur FPÖ und Grüne bekennen sich in diesem Wahlkampf klar zum offenen Hochschulzugang. An den derzeit bereits bestehenden Zugangsbeschränkungen kritisiert FPÖ-Spitzenkandidat Heinz-Christian Strache, dass diese "hauptsächlich österreichische Studierwillige vom Studium ausschließen". Die Spitzenkandidatin der Grünen Ulrike Lunacek wiederum betont, dass "Aufnahmeprüfungen die soziale Selektion an den Hochschulen verstärken".

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Aus Sicht der ÖH würde eine intensivere Beratung am Ende der Schulzeit gegen überlaufene Massenfächer helfen. So wüssten viele Erstsemestrige viel zu wenig über das breite Studienangebot der Hochschulen Bescheid. (Oona Kroisleitner, Tanja Traxler, 14.10.2017)