Bild nicht mehr verfügbar.

Premierminister Rajoy bei der überraschend einberufenen Presskonferenz

Foto: REUTERS/Sergio Perez

Madrid – Spaniens Premierminister Mariano Rajoy hat am Mittwoch überraschend eine Pressekonferenz abgehalten. Er forderte dabei die Regionalregierung in Barcelona auf, formal klarzustellen, ob sie am Dienstagabend die Unabhängigkeit Kataloniens erklärt hat oder nicht und damit die Anwendung des Artikels 155 der spanischen Verfassung gerechtfertigt wäre, der der Zentralregierung erlauben würde, die Regionalregierung zu entmachten.

Von der Antwort der Regionalregierung hänge es ab, was in den kommenden Tagen geschehen werde, erklärte Rajoy. Zuvor hatte er Pedro Sánchez von der sozialdemokratischen PSOE getroffen, die seine Minderheitsregierung toleriert.

Am Nachmittag erklärte Rajoy dann, die katalanische Regionalregierung habe nicht das Recht, "gegen den Willen der Mehrheit der Katalanen" die Unabhängigkeit von Spanien auszurufen. Dies stelle einen Anschlag auf das Zusammenleben aller Spanier dar und sei antidemokratisch.

Kritik an Volksabstimmung

Die umstrittene Volksabstimmung am 1. Oktober sei völlig unkontrolliert und intransparent abgelaufen, Wähler hätten mehrmals abstimmen können, in manchen Wahllokalen seien gefüllte Urnen angeliefert worden.

Die einzigen Verantwortlichen für die hunderten Verletzten am Wahltag seien die Organisatoren des Referendums gewesen, die "Gruppen rekrutiert" hätten, um die Polizei an der Erfüllung ihrer Aufgaben zu hindern.

Rajoy warnte vor den wirtschaftlichen Konsequenzen der Unabhängigkeitsbestrebungen: so seien seit dem Referendum die Buchungen für Luxushotels in Katalonien um 40 Prozent, die für Appartements um 20 Prozent zurückgegangen, zahlreiche Firmen erklärten, Katalonien verlassen zu wollen.

Man könne über eine Verfassungsreform oder gerechtere Aufteilung der Verhandlungen über die Unteilbarkeit Spaniens schloss Rajoy aus, eine Vermittlung zwischen "dem demokratischen Gesetz" und "der Illegalität" sei unmöglich.

Sánchez kündigt Verfassungsreform an

Sánchez erklärte nach dem Gespräch, man habe vereinbart, die Möglichkeit eine Verfassungsreform zu prüfen. Die damit verbundene Debatte werde eine Diskussion darüber ermöglichen, "wie Katalonien in Spanien bleibt und nicht, wie es ausscheidet", sagte Sánchez.

"Symbolische" Unabhängigkeitserklärung

Die Regionalregierung bezeichnete kurz zuvor die Unterzeichnung der Unabhängigkeitserklärung am Dienstagabend als "symbolischen Akt". Eine Unabhängigkeitserklärung müsse durch das Regionalparlament erfolgen, was aber nicht der Fall gewesen sei, sagte Regierungssprecher Jordi Turull.

Die Unterzeichnung der Erklärung durch Regionalpräsident Carles Puigdemont und die Unabhängigkeitsbefürworter unter den Abgeordneten sei ein "symbolischer Akt, mit dem wir alle unsere Bereitschaft unterzeichnet haben, die Unabhängigkeit zu erklären", sagte der Sprecher. Puigdemont hatte am Dienstagabend zwar eine Unabhängigkeitserklärung unterzeichnet, diese aber sofort für ausgesetzt erklärt. Dadurch will er nach eigenen Worten einen Dialog mit der Zentralregierung anstoßen.

EU: Spaltung überwinden

Die EU-Kommission hat angesichts der Lage in Katalonien Spanien dazu aufgerufen, die Spaltung zu überwinden. Der Vizepräsident der EU-Kommission Valdis Dombrovskis sagte Mittwoch, die Europäische Kommission "behält Spanien im Auge". Wesentlich sei, dass die spanische Verfassung "voll und ganz eingehalten" werden müsse.

Mit dem spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy stehe EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in ständigem Kontakt. "Wir vertrauen auf die politischen Kräfte, dass sie es schaffen werden, im Rahmen der spanischen Verfassung eine Lösung zu finden und die Spaltung zu überwinden", so Dombrovskis. Es müsse dafür gesorgt werden, dass die Einheit des spanischen Staates und die Einhaltung der Verfassung aufrecht blieben.

Festnahmen in Athen

In Griechenland wurden unterdessen 19 Demonstranten festgenommen, die aus Solidarität mit den Katalanen in die spanische Botschaft gestürmt waren. Die Gruppe, die sich selbst als anarchistisch bezeichnet, verteilte in dem Gebäude Flugblätter mit der Losung "Solidarität ist die Waffe der Völker", sagte ein Botschaftsmitarbeiter. (red, APA, 11.10.2017)