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Airbnb ist nicht nur Zielscheibe der Kritik der Tourismusindustrie. Mancherorts gehen Gegner – so wie hier in New York – auch auf die Straßen.

Foto: Reuters/STAPLETON

In diesen Gegenden kann es vorkommen, dass in einem Radius von 500 Metern bis zu 100 Wohnungen via Airbnb vermietet werden.

Grafik: STANDARD

Auf Airbnb entfiel im vergangenen Jahr demnach bereits ein Zehntel des Wiener Nächtigungsumsatzes. Die geschätzten Bruttoeinnahmen der Mieter beliefen sich auf 81 Millionen Euro.

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Die Revolution hat schleichend begonnen, aber inzwischen sind die Zeichen der Veränderung allgegenwärtig. Ob in San Francisco, New York, London oder Paris: Die Tourismusindustrie hat sich grundlegend verändert. Während früher die Vermietung von Zimmern fest in Händen von Hotelbetreibern war, spielt seit einigen Jahren die Vergabe von Quartieren über Plattformen wie Airbnb, Wimdu oder Housetrip eine immer größere Rolle. Allein Airbnb vermittelt mehr als drei Millionen Unterkünfte im Jahr in über 60.000 Städten. Tendenz: stark steigend.

Die stetig wachsende Plattform Airbnb verschärft die Lage am Wiener Wohnungsmarkt. Rund 2.000 Wohnungen werden so dauerhaft entzogen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der TU Wien.
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Die Entwicklung hat auch Wien voll erfasst. Bisher fehlte belastbares Datenmaterial darüber, wie viele Wohnungen vermietet werden – und was das für den Wohnungsmarkt in der Hauptstadt bedeutet. Ein Expertenteam von der TU Wien hat diese Informationslücke nun ein Stück weit geschlossen. Roman Seidl, Leonhard Plank und Justin Kadi veröffentlichen am Mittwoch die bisher umfassendste unabhängige Studie zu Airbnb in Wien, DER STANDARD durfte vorab Einblick nehmen.

Ein Zehntel des Nächtigungsumsatzes

Die Zahlen sind beachtlich: Auf Airbnb entfiel im vergangenen Jahr demnach bereits ein Zehntel des Wiener Nächtigungsumsatzes. Die geschätzten Bruttoeinnahmen der Mieter beliefen sich auf 81 Millionen Euro. Mehr als 7.500 Wohnungen werden derzeit aktiv auf Airbnb angeboten.

Was die Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt betrifft, zeichnen die Studienautoren ein gemischtes Bild. 2.000 Wohnungen sind dem Wohnungsmarkt in Wien bereits dauerhaft entzogen, weil sie via Airbnb an Urlauber vermietet sind. Das entspricht einer von 420 Wohnungen oder 0,24 Prozent. Der Verlust an Wohnraum sei derzeit für die Stadt also "begrenzt".

Doch haben sich Hotspots entwickelt: In diesen Gegenden kann es vorkommen, dass in einem Radius von 500 Metern bis zu 100 Wohnungen via Airbnb vermietet werden. Neben dem Schwedenplatz zählen der Spittelberg und das Freihausviertel (im vierten Bezirk) zu diesen Hotspots. Hier zeitige der "Verdrängungsdruck" bereits Auswirkungen, heißt es in der Studie. Das heißt, die Gegend wird immer interessanter für Investoren, die Objekte vermieten wollen, und immer unerschwinglicher für klassische Wohnungssuchende. Die Zahl der dem Immobilienmarkt entzogenen Wohnungen könnte stark zunehmen, weil laut Analyse der TU-Forscher in allen Wiener Bezirken mehr Geld mit der Vermietung über Airbnb zu verdienen ist als auf dem klassischen Wohnungsmarkt.

Geht das Wachstum weiter wie bisher, könnte es in fünf Jahren bereits über 20.000 dauerhaft dem Immobilienmarkt entzogene Wohnungen in Wien geben. "Es besteht ein Regulierungsbedarf", sagt Studienkoautor Roman Seidl. Für die Stadt gibt es mehrere Optionen. Eine Idee wäre, die Vermietung von einer Genehmigung abhängig zu machen, wie das in Berlin der Fall ist. Wobei Raumplaner Seidl nur dafür plädiert, dauerhafte Vermietung als Ferienwohnung zu beschränken. Ein anderer Vorschlag wäre, die Vermietung von Altbauten zu untersagen, bei denen die Miethöhe in Wien gesetzlich begrenzt ist. Hier ist die Onlinevermietung finanziell ja besonders verlockend.

Totale Diskretion

Das Problem an solchen Überlegungen ist, dass Airbnb Informationen über Vermieter auf der Plattform mit Verweis auf Datenschutz nicht herausgibt. Deshalb sind Kontrollen derzeit nicht machbar. Das wirkt sich aktuell bereits aus: Es gibt immer wieder Mutmaßungen darüber, dass ein hoher Anteil der Vermietungen steuerlich nicht voll abgerechnet wird. Airbnb liegt deshalb mit vielen Städten im Clinch. Derzeit versucht die Stadt Wien, mit der Plattform eine Lösung zu finden, damit sichergestellt wird, dass die Vermieter die Ortstaxen für Übernachtungen bezahlen.

Laut Studie hat sich die Website verändert. Die ursprüngliche Idee, wonach Gastgeber ihre Wohnung mit Reisenden teilen, Freunde werden und später selbst günstig woanders unterkommen, spielt eine immer geringere Rolle. Die Zahl professioneller Vermieter nimmt zu – der Markt ist konzentriert. Zwei Drittel der Einnahmen über Airbnb gehen an 20 Prozent der Vermieter. Die Topverdiener, ein kleiner Kreis, kommt auf 15.000 Euro im Monat.

Gut verborgen

Viele der Vermieter verbergen bei den Inseraten den kommerziellen Hintergrund. "Wir, verheiratet, zwei Söhne und ein Hund, freuen uns, Gäste aus aller Welt willkommen zu heißen", steht dann bei einer Anzeige von jemandem, der zahlreiche Immobilien verwaltet.

Airbnb, das bei jeder Übernachtung eine Kommission kassiert, ist vor neun Jahren in Kalifornien gegründet worden. Der Marktwert des Unternehmens liegt bereits bei 30 Milliarden US-Dollar. Der Erfolg liegt daran, dass man in vielen Städten günstiger als Hotels anbieten kann. In Wien kostet eine Unterkunft für vier Personen im Schnitt 120 Euro. Für vier Personen in einem Dreisternehotel zu buchen, kann deutlich teurer sein.

Airbnb ist seit Jahren Zielscheibe der Kritik der Tourismusindustrie. Dabei setzen auch Touristiker gern das Argument ein, dass Airbnb den Wohnungsmarkt schädige, weil damit die Chancen, politisch Gehör zu finden, höher sind.

Airbnb: "Falsche Schlussfolgerung"

Airbnb übte scharfe Kritik an der Studie und kann die Ergebnisse der Untersuchung durch die TU-Experten nicht nachvollziehen. "Die Studie basiert auf falschen Daten und nutzt eine fehlerhafte Methodik, was zu einer falschen Schlussfolgerung führt. Wohnungen, die auf Airbnb angeboten werden, machen weniger als ein des Wiener Wohnungsmarktes aus", so eine Sprecherin. (András Szigetvari, 11.10.2017)