Wegen der Causa Silberstein samt ihrer rot-schwarzen Subaffären wirkt die FPÖ wie eine gesittete Partei: Parteichef Heinz-Christian Strache gibt den Staatsmann, General Kickl verzichtet auf grausliche Reime.

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Wien – Nicht einmal einen Dreckspritzer haben die Blauen bisher in der rot-schwarzen Schlammschlacht anlässlich der Causa Silberstein abbekommen. Deswegen reibt man sich bei der FPÖ schon die Hände: Jahrelang vor allem im Wahlkampffinish von den Konkurrenten ins Schmuddeleck gestellt, wirken die Freiheitlichen angesichts der täglichen Vorwürfe gegen SPÖ und ÖVP als bloße Zurufer fast schon wie eine gesittete Partei. "Wir sind selbst verwundert, dass uns Angriffe von Silberstein & Co erspart geblieben sind", sagt ein FPÖ-Mann mit Hinweis auf den mittlerweile gefeuerten Ex-SPÖ-Berater und dessen nicht gerade zimperlichen Methoden. Spöttischer Nachsatz: "Dabei sind wir das gewohnt, haben uns darauf eingestellt – und könnten auch besser damit umgehen."

Eine Anspielung darauf, dass Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern, aber auch sein Herausforderer, ÖVP-Chef Sebastian Kurz, derzeit alle Hände voll zu tun haben, um ständig neu auftauchende Verdachtsmomente gegen ihre Berater zu entkräften. Am Wochenende rief der schwarze Umfragekaiser Kurz sogar ein Rennen mit Heinz-Christian Strache aus: Nun sei die Frage, ob er oder der FPÖ-Chef "als Erster durch die Ziellinie" komme.

Doch ist das bisher schier Undenkbare tatsächlich möglich? Meinungsforscher Peter Hajek schickt seiner Analyse kurz vor dem Wahltag voraus, dass man sich hier "im Bereich der Spekulationen" bewege. Aber, so der Chef von Public Opinion Strategies: Aufgrund der bisherigen Datenlage und des signifikant großen Vorsprungs von Kurz' ÖVP in den Umfragen sei "die Wahrscheinlichkeit nicht sehr hoch", dass die FPÖ das noch "einholt".

Wie ein Drehbuch von Kickl

Zwar schaden sich SPÖ und ÖVP mit ihren Schmutzkübelaktionen vor allem selbst – und das käme in erster Linie der FPÖ zugute, doch die Zahl der Stimmberechtigten, die die Causa Silberstein samt ihrer Subaffären bei der Wahlentscheidung tatsächlich beeinflusst, bemisst der Experte bloß "im mittleren einstelligen Prozentbereich". Hajek: "Die Massen bewegt das sicher nicht."

Trotzdem attestiert er der FPÖ einen bisher recht gelungenen Wahlkampf mit besten Voraussetzungen in der äußerst turbulenten Endphase: "FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl hätte das Drehbuch dafür nicht besser schreiben können." Denn sämtliche blaue Botschaften würden durch das ständige rot-schwarze Hickhack unterstützt: dass die Menschen so etwas nicht mehr sehen wollen, dass eine Änderung her muss und dass eine Wende nur mit einer starken FPÖ erfolgen könne.

Dazu käme das von Strache seit Jahresbeginn zur Schau gestellte "staatstragende Benehmen", das der FPÖ-Chef, einst eher marktschreierisch im Ton, bis dato wider Erwarten durchgehalten habe – "er hat aus der Vergangenheit sichtlich gelernt", meint Hajek.

Als im Frühsommer die antisemitischen Anspielungen des blauen FPÖ-Mandatars Johannes Hübner, von der Partei als Anwärter fürs Außenministerium gehandelt, im STANDARD publik wurden, habe man den Mann "relativ schnell verräumt". Zur Erinnerung: Ende Juli erklärte Hübner, nicht mehr zu kandidieren.

Einziger Patzer

Als "einzigen Patzer" in der blauen Kampagne macht auch Politikexperte Thomas Hofer diese Affäre aus – weil Hübner "anfangs noch verteidigt" wurde. Nicht zuletzt deswegen hält Kurz Strache in den letzten Konfrontationen die antisemitischen Vorfälle in der Partei entgegen, die der FPÖ-Chef aber anders als früher "ruhig" pariere. Dazu gelang der FPÖ laut Hofer bei ihrem Negative Campaigning ein humorvoller Zugang – etwa mit Videos zur Familie Huber, die in ihrem Haus – in Analogie zur Flüchtlingskrise – mit zig fremden Leuten aufwache. "Auf grausliche Sprüche über den Islam oder zur ,Umvolkung' hat man verzichtet", sagt der Experte.

Das neue Duell mit der ÖVP um den Wahlsieg sieht Hofer dennoch als bloße Botschaft an die eigenen Leute – damit die, weil von Kurz' Triumph überzeugt, am Sonntag "nur ja nicht zu Hause bleiben". (Nina Weißensteiner, 10.10.2017)