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Das Wahlgericht ordnete eine Nachwahl im Wahlkreis von Phil Woolas und Elwyn Watkins an, die am 13. Jänner 2011 durchgeführt wurde. Gewonnen hat die Labour-Kandidatin.

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Phil Woolas verlor vor einem Wahlgericht wegen Dirty Campaignings seinen Parlamentssitz.

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Wien – 99 Jahre war der Paragraf nicht mehr beansprucht worden, bis er im November 2010 Ex-Einwanderungsminister Phil Woolas seinen Parlamentssitz kostete: Der Labour-Politiker wurde von einem Wahlgericht für schuldig befunden, das Volksvertretungsgesetzes gebrochen zu haben, weil er im Wahlkampf falsche Aussagen über seinen Gegenkandidaten Elwyn Watkins von den Liberaldemokraten in Umlauf gebracht hatte. Er siegte mit nur 103 Stimmen Vorsprung – und verlor seinen Sitz im House of Commons, dem britischen Unterhaus, dann doch, weil das Gericht das Ergebnis für nichtig erklärte, ihn disqualifizierte und eine Nachwahl im Wahlkreis anordnete.

Es ist wohl eine der ältesten Gesetzesbestimmungen gegen Dirty Campaigning, die es international gibt, erklärt die britische Politologin Melanie Sully, die in Wien das Go-Governance-Institut leitet, im STANDARD-Gespräch. Ähnliche Bestimmungen wie Paragraf 106, der unter Strafe stellt, wenn jemand Falschinformationen über eine Person, deren Charakter oder Verhalten in Umlauf bringt – es sei denn, er oder sie kann beweisen, dass es gute Gründe gab, die Aussagen für wahr zu halten –, gab es in Großbritannien bereits seit 1895. Auch in Australien gebe es, so Sully, in einem Bundesstaat gesetzliche Regelungen, die Falschinformationen über Kandidaten oder auf Plakaten sanktionieren.

In Österreich hat sich nun ÖVP-Chef Sebastian Kurz für einen neuen Straftatbestand Dirty Campaigning ausgesprochen.

Drei Jahre Sperre für politische Ämter

Der Representation of the People Act 1983 regelt, wie Parteien und Politiker sich bei einer Wahl korrekt zu verhalten haben. Phil Woolas tat das augenscheinlich nicht, befanden die Richter und sperrten ihn überdies für drei Jahre für politische Ämter.

Mit welchem Schmutz hatte Woolas seinen Kontrahenten Watkins im Wahlkampf also konfrontiert? The Guardian zitierte die Staatsanwältin, die sagte, Woolas und sein Kampagnenteam hätten "das weiße Volk wütend machen" ("to make the white folk angry") wollen, indem sie dem Liberalen Watkins auf Plakaten Kontakte zu radikalen Muslimen unterstellten.

So gab es ein Plakat, auf dem stand, "Extremisten" würden versuchen, die Wahl zu kapern und liberaldemokratisch zu wählen, "um Phil für seine strenge Immigrationspolitik zu bestrafen". Die Liberaldemokraten würden Hunderttausenden illegalen Immigranten ein Bleiberecht geben. "It is up to you." Es ist an euch. "Do you want the extremists to win?"

"Risky and ,shit or bust'"

Für das Gericht stand fest, dass Woolas Rassen- und Religionskonflikte schüren wollte, um die Wahl zu gewinnen. Er und sein Team ließen sich im Kampf gegen den Liberalen auf ein Spiel mit hohem Einsatz ein, das sie selbst als ",risky' and – less politely – ,shit or bust'" beschrieben, sagte die Anklägerin. Also das Motto: "Scheiße oder Scheitern". Dazu gehörten persönliche Attacken auf Watkins, falsche Medienstatements und manipulierte Fotos, etwa von fanatischen und "mad Muslims", die Woolas verdammen und die von Watkins umworben würden.

Das Gericht entschied: "This case is not about winners and loosers", sondern ob Phil Woolas "wegen Betrugs disqualifiziert" werde – und das wurde er. Es habe einen großen Verlierer bei der ganzen Sache gegeben, und das sei die Wählerschaft von Oldham East and Saddleworth gewesen.

Politologin Sully hält ein Gesetz gegen Dirty Campaigning denn auch "grundsätzlich für keine schlechte Idee, aber es sollte ergänzt werden um eine genaue Analyse, was schiefgegangen ist im Wahlkampf, und um nichtgesetzliche Maßnahmen, etwa einen Verhaltenskodex zur Verbesserung der politischen Debatte".

Liberaldemokrat Watkins landete übrigens auch bei der Nachwahl auf Platz zwei, und Labour-Kandidatin Debbie Abrahams siegte ohne Schmutzwahlkampf. (Lisa Nimmervoll, 10.10.2017)