Foto: Maria von Usslar
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Straßenwahlkampf in Dornbirn muss frustrierend sein. Die meisten Menschen schütteln beim Reizwort Politik den Kopf und zeigen Desinteresse an der Wahl. "Die Leute haben erkannt, dass Politik bloß Nebensache ist", erklärt Meinrad, warum der Vorarlberger Volkszorn kaum vorhanden ist. "Es ist derartig verwirrend", analysiert der Pensionist Helmut die Lage. Die Parteien würden nachher ohnehin alles anders machen als angekündigt. Auch die Neos.

Das westlichste Bundesland gilt als Hochburg für die derzeit jüngste Fraktion im Parlament. Wobei das natürlich bei einer Partei, die erst einmal für eine Nationalratswahl kandidiert hat, schwierig festzumachen ist. Dennoch gab es zumindest 2013 einen Heimvorteil für die Pinken, ist doch Vorarlberg nicht nur das Heimatbundesland von Parteigründer Matthias Strolz, auch zwei der anderen sieben Abgeordneten kommen aus dem Ländle. Bei der Premiere erreichten sie auf Anhieb 13,1 Prozent, in Dornbirn gar 15,2 Prozent.

Bleibt den Neos noch der Heimvorteil in Vorarlberg? Gymnasiast Johannes glaubt, dass sich die Situation zu 2013 stark geändert hat.
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Doch so richtig nachhaltig scheint der Erfolg nicht zu sein, glaubt man den Fußgängern in der Dornbirner Marktstraße. "Zu wenig präsent", bilanziert Velasdzic die vergangenen vier Jahre der Neos. Dabei ist der Abgeordnete Gerald Loacker auch im Gemeinderat vertreten. "Wenn es den Menschen gutgeht, haben sie nicht die Intention, sich für Politik zu interessieren", sagt Franz-Josef Siebert, Obmann der Jungen Volkspartei in Bregenz. Der 22-Jährige unterstützt Sebastian Kurz (ÖVP) und kann daher wenig mit den Neos anfangen.

Bregenz ist Landeshauptstadt, wirtschaftlich bedeutender ist Dornbirn. Die hier ansässige Fachhochschule Vorarlberg wirbt mit "Studieren, wo die Jobs sind", Familienbetriebe wie Zumtobel oder die Bäckerei Ölz machen die Gegend mit ihren Firmensitzen zum größten Arbeitsplatzstandort Vorarlbergs. Knapp 50.000 Einwohner zählt die Region.

Diese Eigenschaften gehören eigentlich zu den Charakteristika der Neos-Wähler: urban, gebildet, wirtschaftlich und politisch interessiert. 2013 war es eine politische Sensation, dass im schwärzesten aller Bundesländer Pink punkten konnte. Dennoch will kaum einer öffentlich mit der Partei sympathisieren. Wer einmal versucht hat, mit Vorarlbergern auf der Straße über Politik zu diskutieren, kann nachvollziehen, warum die Neos lieber zu den Menschen nach Hause gehen, um sie von ihrem Programm zu überzeugen. Bis zum Wahltag findet in der Region fast noch jeden Abend ein Neos@home-Event statt.

Der Versuch, mit Dornbirnern über Politik zu reden.
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Dass die Stadt als Neos-Hochburg gilt, führen die meisten auf einen Anfangshype zurück. "Frischer Wind und neue Gesichter" erklären für die Studentin Isabella das gute Abschneiden beim ersten Antreten.

Auch der Heimvorteil habe eine Rolle gespielt, aber nun sei die Situation eine andere, meint etwa Gymnasiast Johannes. "Es gibt viel mehr Gegner", sagt der Schüler und mutmaßt, dass die Liste Pilz den Neos Wähler kosten könnte.

Überhaupt ist ihm und seiner Schulkollegin Anna die Stimmung zu aufgeheizt. "Es fehlt eine Partei der Mitte", die Neos sind das für sie nicht. Dass in Vorarlberg ein Trend zum Protestwählen besteht, zeigt das Ergebnis des BZÖ im Jahr 2008. Die ehemalige Haider-Partei erzielte damals fast so viele Stimmen wie die Neos 2013, scheiterten dann aber an der Vier-Prozent-Hürde.

Von "Schaffa, schaffa, Hüsle baua" ist die Mentalität im Ländle geprägt. Dass der Wunsch nach einem eigenen Haus aber in immer weitere Ferne rückt, ist für junge Leute Thema.

Leistbar müssen Wohnungen sein, wünschen sich Johannes und Anna. Wenn sie studieren, möchten sie ausziehen. Heute erscheint ihnen das unerschwinglich.

Anna plant für ihr Studium aus dem Elternhaus zu ziehen, die aktuellen Wohnungspreise lassen sie daran zweifeln.
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Auch für Monika sind die Immobilienpreise das einzige Manko, das ihr spontan einfällt. Unleistbar sei es für junge Leute. Sie führt das auf die Lage im Dreiländereck und auf den beschränkten Platz zum Bauen zurück.

Ganz so schwarz sieht das Josef Kirchmann nicht. Der Bürgermeister von Langen bei Bregenz ist zufällig in Dornbirn. Wenn die Menschen sich überhaupt beklagen, dann übers Wohnen. Der schwarze Ortschef beteuert, dass das Land viel unternommen habe, um Wohnraum zu schaffen. Man dürfe trotzdem nicht erwarten, dass "jeder 18-Jährige eine 70- Quadratmeter-Wohnung bekommt. Das wird sich nicht rechnen." Die pinken Antworten auf das Problem? Sie wollen die Wohnnebenkosten senken. Bezieht jemand eine Sozialwohnung, soll sein Einkommen überprüft werden. Verdient der Mieter gut, muss er mehr zahlen. Die Bauordnung soll österreichweit vereinheitlicht werden, die unterschiedlichen Regelungen haben Auswirkungen auf die Preise. (Marie-Theres Egyed, Maria von Usslar, Grafik: Sebastian Kienzl, 12.10.2017)