Wien – Der PR-Berater Peter Puller wurde in den vergangenen Tagen zu einer zentralen Figur des aktuellen Wahlkampfs. Im ausführlichen STANDARD-Interview schildert er seine Sicht der Dinge rund um die massiven Vorwürfe gegen den Sprecher von ÖVP-Chef Sebastian Kurz und erklärt, wie die Sudelkampagnen auf Facebook geplant wurden und wer darüber Bescheid wusste.

STANDARD: Sie werfen dem Sprecher von ÖVP-Chef Sebastian Kurz vor, dass Ihnen dieser 100.000 Euro für Informationen über die SPÖ-Kampagne sowie für "Spitzel"-Tätigkeiten geboten haben soll. Wie schauen Ihre Beweise dafür aus?

Puller: Ich habe einen SMS-Verkehr, aus dem klar hervorgeht, dass mir, anders als die ÖVP das behauptet hat, sehr wohl ein Honorar für PR-Leistungen angeboten wurde.

Die Nachricht, auf die sich Peter Puller beruft.

STANDARD: Von 100.000 Euro für Spitzeltätigkeiten ist darin aber nicht explizit die Rede.

Puller: Ich habe auch noch weitere Belege, die ich mir für allfällige Klagen in petto halte.

STANDARD: Eine Aufzeichnung des Gesprächs?

Puller: Das möchte ich jetzt noch nicht kommentieren.

STANDARD: Kurz-Sprecher Gerald Fleischmann behauptet in seinem Gedächtnisprotokoll, man habe lediglich darüber gesprochen, ob man künftig möglicherweise wieder zusammenarbeite. Er bestreitet das Angebot von 100.000 Euro.

Puller: Fleischmann gibt in seinem Gedächtnisprotokoll nur das zu, wo er nicht mehr auskann. Alles andere ist eine hanebüchene Argumentation. Jene ÖVP, die mich wegen meines Engagements für die Neos ohnehin bereits als Verräter bezeichnet hat und mich im Verdacht hatte, für Tal Silberstein zu arbeiten, soll mir dann ein Angebot machen, wieder für die ÖVP zu arbeiten? Wer soll das glauben? Das ist irrwitzig.

STANDARD: Sie haben also nicht, wie Fleischmann behauptet, aktiv angeboten, Informationen für die ÖVP zu sammeln?

Puller: Nein, das stimmt nicht. Die Initiative ging von Fleischmann aus, auch das kann ich beweisen.

STANDARD: Warum sollte man Ihnen nach all diesen Geschichten noch ein Wort glauben?

Puller: Weil es den SMS-Beleg gibt und ich diese Aussage nicht tätigen würde, wenn ich nicht wüsste, dass ich einer Klage entspannt entgegensehen kann.

STANDARD: Fleischmann behauptet auch, dass Sie im Gespräch mit ihm bestritten hätten, für Tal Silberstein zu arbeiten.

Puller: Das stimmt nicht. Ich habe mich bei diesem Gespräch wie in einem schlechten Film gefühlt. Fleischmann hat auf einen Zettel geschrieben: "Wir wissen, dass du für die Sozis arbeitest." Das habe ich dementiert, weil es auch nicht gestimmt hat. Mein Vertragspartner war Tal Silberstein. Das habe ich Fleischmann gesagt, weil es auch kein Geheimnis war. Im Café Landtmann hat man mich wahrscheinlich ohnehin mit Silberstein gesehen. Es ist aber korrekt, dass ich bestritten habe, für die SPÖ zu arbeiten.

STANDARD: Schon etwas spitzfindig, weil ja Silberstein für die SPÖ gearbeitet hat.

Puller: Natürlich.

"Ich wollte niemals jemanden aushorchen", beteuert Peter Puller.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

STANDARD: Die ÖVP meint auch, Sie hätten mehrere ÖVPler getroffen und das Team Kurz auszuhorchen versucht.

Puller: Ich wollte niemals jemanden aushorchen. Ich habe lange für die ÖVP gearbeitet, bin seit Jahren immer wieder in Kontakt mit ehemaligen Kollegen. Das ist richtig. Ich habe das in den letzten Monaten aber nicht intensiver betrieben.

STANDARD: Haben Sie die SPÖ oder Silberstein über das Gespräch mit Fleischmann informiert?

Puller: Zur SPÖ hatte ich nie direkten Kontakt. Silberstein habe ich sowohl vor dem Gespräch als auch danach unmittelbar informiert.

STANDARD: Am gleichen Tag, an dem Sie laut Ihren Angaben Fleischmann getroffen haben, am 17. Juli, haben Sie einen Vertrag mit einem Volumen von 180.000 Euro mit der Gesellschaft für Politikanalyse unterschrieben, die für das Projekt "Stop Extremism" des ÖVP-Kandidaten Efgani Dönmez arbeitet. Zufall?

Puller: Das ist reiner Zufall. Der Vertrag hat mit der ÖVP nichts zu tun. Die Gesellschaft hat mittlerweile bestätigt, dass ein monatliches Honorar von etwa 15.000 Euro vereinbart war. Die 180.000 Euro für ein Jahr wären auch nicht für mich alleine gewesen, sondern auch für Drittkosten sowie Mitarbeiter. Mit dem Projekt war eine enorme Arbeitsleistung verbunden.

STANDARD: Der Vertrag wurde nach acht Wochen wieder gekündigt, abgesehen von 1.900 Euro Aufwandsentschädigung hat Ihnen die Gesellschaft nichts bezahlt. Sie fallen also um eine ordentliche Stange Geld um. Sie verstehen, dass das nach einer Racheaktion ausschaut?

Puller: Nein, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Das Projekt ist auch noch nicht abgerechnet. Für die acht Wochen muss noch ein Honorar bezahlt werden.

STANDARD: Trotzdem kritisiert die ÖVP nun, das sei alles von der SPÖ gesteuert, Sie seien ein Politsöldner.

Puller: Sie können mir glauben: Auf die Wichtigkeit meiner Person in diesem Wahlkampf könnte ich gerne verzichten. Der Vorwurf, alles sei von der SPÖ gesteuert, ist lächerlich, eine klassische Schutzbehauptung. Ich habe mich lange nicht geäußert, auch weil der Kurz-Sprecher ein ehemaliger Kollege von mir ist. Nachdem ich jetzt aber so im Mittelpunkt stehe, möchte ich auch meine Sicht der Dinge darlegen.

STANDARD: Sie haben zuletzt für das SPÖ-Team von Silberstein gearbeitet, davor für die ÖVP und die Neos. Da könnte man schon den Eindruck bekommen, Sie haben ein doppeltes Spiel gespielt.

Puller: Welches Interesse sollte ich daran haben? Ich wollte in diesen Wahlkampf nicht hineingezogen werden.

Eines der Sujets gegen ÖVP-Chef Sebastian Kurz.
Foto: screenshot

STANDARD: Sie haben erst nach anfänglichen Dementis zugegeben, Teil des Teams von Silberstein gewesen zu sein, das für Dirty Campaigning auf den Seiten "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" und "Wir für Sebastian Kurz" zuständig war. Was war Ihre genaue Rolle?

Puller: Ich war in die strategische Planung und Analyse involviert, für die operative Bespielung der Seiten war ich nicht zuständig.

STANDARD: Wer dann?

Puller: Das möchte ich nicht kommentieren. Es reicht, wenn mein Name durch die Medien gezogen wird.

STANDARD: Die SPÖ-Spitze behauptet, nichts vom Dirty Campaigning gewusst zu haben. Gab es eine explizite Absprache, Christian Kern und Ex-Geschäftsführer Georg Niedermühlbichler nicht zu informieren?

Puller: Die gab es. Es ist daher korrekt, dass Kern und Niedermühlbichler nichts von der Sache wussten. Das fand allein auf die Initiative von Tal Silberstein statt. Also: Ja, es gab die dezidierte Anweisung, nicht mit der Partei zu kommunizieren.

STANDARD: Die Anweisung kam von Silberstein? Und er war der Auftraggeber?

Puller: Ja.

STANDARD: War das Team auch für die Seite "Die Wahrheit über Christian Kern" verantwortlich?

Puller: Nein.

STANDARD: Wie lief die Finanzierung des Dirty-Campaigning-Teams?

Puller: Das Social-Media-Projekt wurde von Tal Silberstein finanziert. Mein Honorar wurde von seiner Firma nachweislich bezahlt. Leisten kann er sich das. Die kolportierten 500.000 Euro sind aber lächerlich. Das Budget lag bei plus/minus 100.000 Euro. Das eigentliche Team umfasste nur zwei bis drei Leute, je nach Aufwand ist dann noch jemand für Grafik oder Video dazugekommen.

STANDARD: Von der SPÖ wurde ein Mitarbeiter suspendiert, weil er eingebunden gewesen sein soll. Was war dessen Rolle, und gab es weitere Mitarbeiter, die in der Parteizentrale eingebunden waren?

Puller: Meines Wissens gab es nur diese eine Person, und der hatte auch keine operative Rolle. Es gab einen Austausch bei der Frage, was wir abtesten wollen, und Tal Silberstein hat dann unsere Ergebnisse an ihn zurückgespielt.

STANDARD: Vieles aus dem Team-Silberstein wurde geleakt? Wen haben Sie im Verdacht?

Puller: Ich kommentiere nichts, wozu ich keine Belege und gesicherte Informationen habe.

STANDARD: Was man sich nun fragt: Gibt es für Berater wie Sie keine Grenzen? Es wurde mit rassistischen und antisemitischen Anspielungen gearbeitet. Sie haben parallel für SPÖ und Neos gearbeitet und mit der ÖVP gesprochen. Heiligt der Zweck immer die Mittel?

Puller: Ich habe niemals für die SPÖ gearbeitet, und die ÖVP ist an mich herangetreten. Der Zweck heiligt nicht immer die Mittel. Natürlich gibt es Grenzen. Dort, wo es in den höchstpersönlichen Bereich hineingeht. Aber was haben wir gemacht? Wir haben auf diesen Seiten Botschaften abgetestet. Wie reagiert ein bestimmtes Wählersegment auf Sebastian Kurz? Ja, wir haben überspitzt. Aber es gab zum Beispiel auf "Wir für Sebastian Kurz" kein einziges Posting, das den Positionen von Kurz widersprochen hätte.

STANDARD: Was wäre das strategische Ziel gewesen?

Puller: Ergänzend zur Markt- und Meinungsforschung sowie den Fokusgruppen auf Social Media abzutesten, wie gewisse Zielgruppen reagieren und welche strategischen Schlüsse wir daraus ziehen können.

Auch SPÖ-Chef Christian Kern stieg auf die "Wahrheit über Sebastian Kurz" nicht immer gut aus.
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STANDARD: Aber es musste Ihnen bewusst sein: Wenn die Sache auffliegt, ist der Schaden viel größer als der potenzielle Nutzen, weil die Postings zum Teil sozialdemokratischen Grundsätzen komplett widersprechen.

Puller: Wie gesagt: Die SPÖ war nicht Auftraggeber und war nicht involviert.

STANDARD: Also einfach das Risiko in Kauf genommen?

Puller: Das müssen Sie Tal Silberstein fragen. Es war nie geplant, die SPÖ zu beschädigen.

STANDARD: Jetzt ist das Ganze in einen nie dagewesenen Schmutzkübel-Wahlkampf ausgeartet. Glauben Sie, dass Sie noch jemals einen Job im PR-Bereich bekommen werden?

Puller: Ich hoffe doch. Eine einfache Situation ist das natürlich nicht für mich, vor allem wenn einem Illoyalitäten vorgeworfen werden. Und manche Medien, die höchstpersönliche Dinge von mir veröffentlicht haben, etwa wo ich wohne, werden sich auf eine Klage einstellen müssen. Das sind Dinge, die gehen einfach zu weit. (Günther Oswald, 6.10.2017)