Toll, dass du dich Dick nennst: Chris Kraus in der Serie "I Love Dick" mit ihrem Lover Dick – das ist zumindest der Plan.

Foto: amazon

Eigentlich ist Chris Kraus Filmemacherin und Schriftstellerin. In ihrem bekanntesten Werk ist sie aber nur eines: verliebt. Chris Kraus ist Autorin des Buches "I Love Dick", das vor 20 Jahren erschien und dessen Protagonistin auch Chris Kraus ist. Das autobiografische Buch gibt es seit einigen Monaten auch als Serie. Der Titel blieb derselbe, denn um nichts anderes als um ihre Liebe zu Dick geht es auch der Serien-Chris-Kraus. Nur Dick beschäftigt sie, hin und wieder bricht vielleicht noch die Wut über einen Patzer durch, der ihren Film die Premiere in Venedig kostete.

Doch davon abgesehen sind ihre künstlerischen Ambitionen im Pausenmodus, ihre sexuelle Energie ist also von jeglicher Sublimierung ungebändigt, als Chris mit ihrem Mann Sylvère im texanischen Marfa ankommt. Der hat dort ein Forschungsstipendium, sein Gastgeber ist besagter Dick, ein anerkannten Künstler, der allerdings seit Jahren nichts Neues mehr zuwege gebracht hat. Während Sylvère im staubigen Marfa über den Holocaust und die Ästhetik des Todes nachdenken will, fühlt sich seine Frau Chris lebendig wie nie zuvor – und lebt ihren Liebeswahn ohne Rücksicht auf Verluste aus.

Schön-schreckliche Liebe

Ihr Begehren kommt überraschend. Dick auf einem Pferd, so sieht sie ihn zum ersten Mal, und sie kann ihren Blick kaum mehr abwenden. Es ist eine wunderbar stereotype Antwort auf die endlosen Darstellungen in Filmen, Romanen und Bildern, in denen Frauen von einem männlichen Blick abgetastet oder als Behübschung der Welt präsentiert werden. Dabei kopiert Chris Kraus (Kathryn Hahn) keinen männlichen Typus, der mit einem Überlegenheitsgefühl ausgestattet um seine Angebetete wirbt. Vielmehr gebärdet sie sich wie ein Pubertierende, die gerade die Wucht der Liebe entdeckt – nur mit dem Unterschied, sämtliche Scheu und Angst vor peinlichen Momenten über Bord zu werfen, um sich Hals über Kopf in jede einzelne schön-schreckliche Minute dieser einseitigen Liebesgeschichte zu stürzen.

Bei ihrem ersten Gespräch gratuliert Chris Dick (Kevin Bacon), der immerhin von vielen als Genie bewundert wird, erstmals zu seinem Mut, zu seinem Namen zu stehen, Dick – "Sie wissen schon". Zu seinen Kunstwerken fällt ihr auch nicht viel mehr ein, als dass sie – na ja – "groß" sind. Zwar sperrt sie nach solchen Sätzen – eben wie 14-Jährige – den Mund geräuschlos auf, um sich so über ihre eigenen Sager zu entsetzen. Gleichzeitig kann sie ihren Spaß an solchen Situationen und diesem Spiel nur schwer verbergen.

Um Dick geht es nicht

Manche (feministische) Seherinnen könnten aber bereits in der ersten Folge von Chris etwas enttäuscht werden. In dieser faselt Dick bei einem gemeinsamen Abendessen mit Chris und ihrem Mann etwas von der Meritokratie in der Kunstwelt. Schulterzuckend und betont lässig die eigene Panik vor dem bevorstehenden Abstieg in der Kunstwelt überspielend, sagt er, es gebe "nun mal keine guten Filme von Frauen", um sich kurz darauf ihrem Mann mit der Frage "Ist sie gut?" zuzuwenden. Im Bett? Als Künstlerin?

Egal, beides ist dermaßen machohaft, dass Sorge aufkommt, hier werde einmal mehr die Plattitüde gewälzt, alle Frauen wollen letztlich Chauvinisten. Doch es wird sich im Lauf der Serie herausstellen: Dick ist – ganz tief drinnen – eh ein Lieber. Was aber noch viel wichtiger ist: Chris ist das letztendlich völlig egal. Denn schließlich geht es nur um sie selbst, ihre Libido, ihre Fantasie, ihren Sex. (Beate Hausbichler, 4.10.2017)