Vorvergangene Woche Donnerstag jährte sich zum dritten Mal der Tag, der im jemenitischen kollektiven Gedächtnis mit der Einnahme der Hauptstadt Sanaa durch die Huthi-Rebellen 2014 in Verbindung gebracht wird. Seit dem Rücktritt der Regierung sowie Präsident Abd Rabbu Mansur Hadis und der Vollendung ihres Coups im Rahmen einer "Verfassungserklärung" im Frühjahr 2015 kontrollieren die Huthis gemeinsam mit ihrem Bündnispartners Ali Abdallah Salih den Norden des Jemen.

Korruption unter den Huthis

Über ihr Vorgehen dringt wenig nach außen, aber internationale Organisationen wie Human Rights Watch haben immer wieder auch auf die gravierenden Menschenrechtsverletzungen vonseiten der Huthis hingewiesen. Entführungen und Folter von Kritikern, insbesondere von Journalisten und Mitgliedern der Zivilgesellschaft, sind an der Tagesordnung, ebenso wie die für alle sichtbare Korruption, die die Villen der Huthi-Elite in Sanaa aus dem Boden sprießen lässt.

Die Huthi/Salih-Allianz hat sich gut in Sanaa eingerichtet. Die Hinweise der letzten Wochen auf ein mögliches Auseinanderbrechen dieser Allianz zweier ehemaliger Erzfeinde werden sich wohl nicht bewahrheiten – zu sehr sind beide aufeinander angewiesen; vor allem, wenn es um eine Stärkung der eigenen Verhandlungsposition gegenüber der international anerkannten Regierung geht. Und die Huthis verlieren zwar in der Bevölkerung aufgrund ihrer Brutalität und offensichtlichen Korruption zunehmend an Unterstützung, aber solange Saudi-Arabien Luftangriffe auf die Hauptstadt und andere Landesteile fliegt, können sie und Salih sich als die "Verteidiger des Jemen gegen den saudischen Aggressor" gerieren.

Florierende Kriegsökonomie

Der Konflikt stärkt sie, auch, weil sie sich lukrative Einkommensmöglichkeiten durch eine florierende Kriegsökonomie sichern können. Währenddessen hungert die Bevölkerung.

Hieran trägt natürlich auch Saudi-Arabien durch seine Blockadepolitik und seine Bombardements von Farmen, Lebensmittelindustrie, Krankenhäusern und wichtiger Infrastruktur eine große Mitschuld. Nahrung ist längst zu einer weiteren Waffe in diesem brutalen Krieg geworden. Dabei stagnieren seit Herbst 2015 die militärischen Fronten, und längst ist allen Akteuren bewusst: Eine militärische Lösung des Jemen-Konfliktes wird es nicht geben.

Aber je länger sich der Konflikt hinzieht, desto schwieriger wird es werden, eine politische Lösung zu finden. Die Anzahl an kriegsinvolvierten Gruppierungen nimmt stetig zu, und längst fordern internationale Beobachter eine Ausweitung der UN-geführten Friedensverhandlungen auf weitere Akteure.

Wiederbelebung des Friedensprozesses

Dafür müssten diese Verhandlungen jedoch erst einmal stattfinden. Seit Monaten bemüht sich der Sondergesandte der Vereinten Nationen für den Jemen, Ismail Ould Cheikh Ahmed, vergeblich um eine Wiederbelebung des Friedensprozesses. Seine Initiative für eine Lösung bezüglich des wichtigen Hafens von al-Hudayda, der sich unter Huthi-Kontrolle befindet, sollte beide Seiten wieder an den Verhandlungstisch bringen und Vertrauen für weitere Verhandlungen schaffen. Sie wurde jedoch vonseiten der Huthis abgelehnt. Sie werfen Ould Cheikh Ahmed vor, im Namen der Saudis zu agieren.

Dennoch gibt es doch viel Raum für Dialog und Kompromiss. Hunderte von Verhandlungen auf lokaler Ebene laufen derzeit unter der Mediation von Stammesscheichs und anderen wichtigen Persönlichkeiten. Hier geht es um Gefangenenaustausch, aber auch um wichtige Versorgungsrouten oder lokale Konfliktlösungen. Darüber hinaus engagiert sich auch eine zunehmend größere Anzahl internationaler Organisationen mit der Hilfe lokaler zivilgesellschaftlicher Partner bei der Zurverfügungstellung von Dialogformaten für die Konfliktparteien.

Viele Ansatzpunkte

Die Zielvorstellungen dieser Formate variieren: Manche fokussieren auf die Wirtschaft, manche auf die Spannungen im Süden, andere haben wechselnde Themen, je nach Interessenlage. Wichtig ist jedoch, dass sie Gesprächskanäle offenhalten und hier formulierte Lösungsvorschläge in den von den Vereinten Nationen geführten Prozess einspeisen.

Als besonders schwierig erweist sich hierbei allerdings die Einbindung von Akteuren, die mit den Huthis oder Salih affiliiert sind: Da Saudi-Arabien den Flughafen von Sanaa blockiert, können sie nicht zu Dialogveranstaltungen im Ausland reisen. Dabei wäre es auch im Interesse des saudischen Königreichs, das diesen Konflikt beendet sehen möchte, solche Reisen zu ermöglichen und dem Gegner eine konstruktive Rolle zu ermöglichen.

Neue Akteure

Sollte der UN-geführte Prozess weiterhin stagnieren, muss man jedoch in der Tat über eine systematische Erweiterung der Gespräche um weitere Akteure nachdenken. Eine Vergrößerung der Gesprächsrunde als solche birgt jedoch auch die Gefahr des Scheiterns. Nicht alle Angelegenheiten müssen von allen Akteuren gelöst werden.

Erfolgversprechender wäre indes ein mehrschichtiger Prozess, in welchem auf lokaler Ebene in verschiedenen Regionen die tatsächlich gegeneinander kämpfenden Gruppierungen miteinander zu Lösungen kommen, während die Akteure auf nationaler Ebene über übergeordnete Fragestellungen und Rahmenbedingungen verhandeln.

Ein Pakt am Ende

In mehreren Gesprächsrunden auf den verschiedenen Ebenen könnten die lokalen Abkommen und das nationale Abkommen dann inhaltlich zueinandergeführt werden, sodass am Ende ein Pakt stünde, den die wichtigsten Akteure auf allen Ebenen mittragen. Denn eines ist klar: Eine schnelle Lösung für den Jemen wird es nicht mehr geben. Es wird Geduld und vor allem den Mut zu mehr Dialog von allen Seiten brauchen, um diesen schrecklichen Konflikt zu beenden. (Marie-Christine Heinze, 1.10.2017)