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Jeffrey C. Hall

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Michael Rosbash

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Michael W. Young

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Stockholm – Der diesjährige Medizinnobelpreis geht an drei US-Amerikaner: Der Genetiker Jeffrey C. Hall (Brandeis University in Waltham, Massachusetts), der Molekular- und Chronobiologe Michael Rosbash (ebenfalls Brandeis University) und der Chronobiologe Michael W. Young (Rockefeller University in New York City) teilen sich die Auszeichnung für ihre Erforschung der circadianen Rhythmik.

Die drei Laureaten mit ihrem wichtigsten Modellorganismus: der Fruchtfliege.

Es gibt in der Biologie eine Vielzahl circadianer Rhythmen, am bekanntesten ist der Schlaf-Wach-Rhythmus. Die Entdeckungen der drei Preisträger erklären, wie Pflanzen, Tiere und Menschen ihren biologischen Rhythmus anpassen, hieß es in der Begründung der Jury in Stockholm.

Young konnte noch nicht von seiner Auszeichnung informiert werden, Rosbash reagierte nach Angaben der Nobelpreisjury mit den Worten: "Sie nehmen mich auf den Arm!" Seinen Zustand beschrieb er so: "Ich war atemlos – im wahrsten Sinne des Wortes. Meine Frau sagte 'Bitte atme!' Ich habe keine Luft mehr bekommen."

Nobel Prize

In der Preisbegründug wurde darauf verwiesen, dass die biologische Uhr in zahlreiche Aspekte unserer komplexen Physiologie involviert ist. Alle vielzelligen Organismen nutzen einen ähnlichen Mechanismus, um ihre circadianen Rhythmen zu kontrollieren. Ein großer Teil unserer Gene wird von der biologischen Uhr gesteuert.

In der Folge davon passt ein sorgfältig kalibirierter circadianer Rhythmus unsere Physiologie an verschiedene Tageszeiten an. Seit den grundlegenden Entdeckungen der drei heurigen Laureaten hat sich die circadiane Biologie zu einem riesigen und hochdynamischen Forschungsfeld entwickelt, das Bedeutung für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden habe.

Von links: Jeffrey Hall, Michael Rosbash und Michael Young. Die drei Laureaten haben schon oft gemeinsame Auftritte absolviert – Hall trug dabei stets Hut.
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Einblicke in die Chronobiologie

Das Leben auf der Erde ist der Rotation unseres Planeten angepasst. Hall, Rosbash und Young erhellten mit ihren Arbeiten, wie Pflanzen, Tiere und Menschen ihre biologischen Rhythmen anpassen, damit sie mit den Umdrehungen der Erde um die Sonne im 24-Stunden-Rhythmus synchronisiert werden.

Mithilfe von Fruchtfliegen als Modellorganismen isolierten die diesjährigen Laureaten im Jahr 1984 ein Gen, das den normalen täglichen biologischen Rhythmus kontrolliert. Sie entdeckten, dass dieses Gen ein Protein kodiert, das sich in der Zelle während der Nacht ansammelt und dann während des Tages abgebaut wird. Anschließend identifizierten sie zusätzliche Proteinkomponenten dieser Maschinerie und setzten den Mechanismus zusammen, der das selbsttragende Uhrwerk in der Zelle regelt. Heute wissen wir, dass biologische Uhren nach den gleichen Prinzipien in Zellen aller vielzelligen Organismen funktionieren.

Entdeckung eines Phänomens

Die meisten lebenden Organismen passen sich an die täglichen Veränderungen in ihrer Umwelt an. Im 18. Jahrhundert studierte der Astronom Jean Jacques d'Ortous de Mairan Mimosen und stellte fest, dass sich die Blätter tagsüber zur Sonne öffneten und in der Dämmerung schlossen. Er fragte sich, was passieren würde, wenn die Pflanze in ständiger Dunkelheit leben würde. Dabei fand er heraus, dass das Gewächs einer eigenen "biologischen Uhr" folgt.

Die Blätter einer Mimose öffnen sich tagsüber in der Sonne und schließen sich in der Dämmerung (oben). Jean Jacques d'Ortous de Mairan untersuchte die Pflanze in ständiger Dunkelheit (unten) und entdeckte, dass die Blätter weiterhin ihrem normalen täglichen Rhythmus folgen – auch ohne Schwankungen des Lichts.
Grafik: nobelprize.org

Später fanden Forscher heraus, dass nicht nur Pflanzen, sondern auch Tiere und Menschen eine biologische Uhr haben, die dabei hilft, die Physiologie an die Schwankungen des Tages anzugleichen. Diese regelmäßige Anpassung wird als circadianer Rhythmus bezeichnet. Wie unsere innere biologische Uhr arbeitet, blieb lange ein Rätsel. Die diesjährigen Medizinnobelpreisträger konnten das Geheimnis lüften.

Die "innere Uhr" passt unsere Physiologie an die verschiedenen Tageszeiten an: Sie beeinflusst die Regulierung des Schlaf- und Ernährungsverhaltens, der Hormonfreisetzung, des Blutdrucks und der Körpertemperatur.
Grafik: nobelprize.org

Die Laureaten im Überblick

Jeffrey C. Hall wurde 1945 in New York, USA geboren. Er promovierte 1971 an der University of Washington in Seattle und war von 1971 bis 1973 als Postdoktorand am California Institute of Technology in Pasadena. Er trat 1974 an die Fakultät der Brandeis University in Waltham ein. Seit 2002 arbeitet er an der Universität von Maine.

Michael Rosbash wurde 1944 in Kansas City, USA geboren. Er promovierte 1970 am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge. Während der folgenden drei Jahre war er Postdoktorand an der Universität Edinburgh in Schottland. Seit 1974 ist er an der Fakultät der Brandeis-Universität in Waltham, USA tätig.

Michael W. Young wurde 1949 in Miami, USA geboren. Er absolvierte sein Doktoratsstudium an der University of Texas in Austin im Jahr 1975. Zwischen 1975 und 1977 war er Postdoktorand an der Stanford University in Palo Alto. Ab 1978 war er an der Rockefeller University in New York.

Reaktionen

Als "lange überfällig" bezeichnen die Neurobiologin Kristin Tessmar-Raible von den Max F. Perutz Laboratories der Uni Wien und der Med-Uni Wien sowie Gerhard Klösch von der Universitätsklinik für Neurologie der Med-Uni Wien am AKH die Nobelpreiszuerkennung an Hall, Rosbash und Young. Die Entdeckung der genetischen Grundlage der inneren Uhr sei für alle tierischen Organismen inklusive des Menschen von zentraler Bedeutung.

Preisgelderhöhung

Erst vor einer Woche hatte die Nobel-Stiftung verkündet, dass die Preisgelder, die jeweils auf bis zu drei Personen aufgeteilt werden können, heuer von acht auf neun Millionen Kronen (rund 944.000 Euro) erhöht wurden. Der diesjährige Nobelpreisreigen findet seine Fortsetzung mit der Bekanntgabe der Laureaten für Physik (Dienstag) und Chemie (Mittwoch) jeweils ab 11.45 Uhr.

Im vergangenen Jahr war der japanische Zellforscher Yoshinori Ōsumi vom Tokyo Institute of Technology ausgezeichnet worden. Seine Entdeckung der Mechanismen der Autophagie, also des Prozesses, mit dem Zellen eigene Bestandteile abbauen und verwerten, war einer der selten gewordenen Fälle, in denen ein Wissenschaftsnobelpreis an eine Einzelperson ging. (red, 2.10.2017)