Neuer Diözesanbischof im "heiligen Land Tirol": Hermann Glettler.

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Der neue Innsbrucker Diözesanbischof Hermann Glettler wird sein Amt in einem bemerkenswerten landesverfassungsrechtlichen Umfeld antreten können. Denn in der Präambel der Tiroler Landesverfassung findet sich ein deutlicher Gottesbezug in Form einer Erwähnung Gottes (nominatio Dei) durch die Worte "die Treue zu Gott", die hier ausdrücklich als Verpflichtung vor Augen gestellt wird:

"Der Landtag hat […] im Bewusstsein, dass die Treue zu Gott und zum geschichtlichen Erbe, die geistige und kulturelle Einheit des ganzen Landes, die Freiheit und Würde des Menschen, die geordnete Familie als Grundzelle von Volk und Staat die geistigen, politischen und sozialen Grundlagen des Landes Tirol sind, die zu wahren und zu schützen oberste Verpflichtung der Gesetzgebung und der Verwaltung des Landes Tirol sein muss, beschlossen: […]".

Welchem Gott soll "die Treue zu Gott" in Tirol gelten?

Die Formulierung "die Treue zu Gott" ist heutzutage nicht mehr selbsterklärend und daher auch, wenn man sie wirklich ernst nimmt, zunehmend interpretationsbedürftig. Vernünftigerweise wird man wohl davon ausgehen können, dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Tiroler Landtag, der hier in seiner Eigenschaft als demokratisch gewählter Landesverfassungsgesetzgeber agiert hat, an dieser Stelle mit "Gott" ganz besonders – etwas verkürzt formuliert – der christliche Gott gemeint war.

Das wirft allerdings angesichts der religiösen und weltanschaulichen Vielfalt, die es ja nicht nur anderswo, sondern zunehmend auch in Tirol gibt, Fragen auf. Dürfen alle Menschen, die in Tirol leben, ihren jeweils eigenen Gott – sofern sie einen haben – in diesem in der Präambel/Promulgationsklausel erwähnten "Gott" (mit)gemeint sehen, und, wenn ja, was bedeutet das für die geistige und kulturelle Einheit und die geistigen Grundlagen des Landes Tirol, die zu wahren und zu schützen oberste Verpflichtung der Verwaltung des Landes Tirol sein müsse?

Vielfalt an göttlichen Vorstellungen

Auf einer narrativen Ebene etwa der Geschichten, Erzählungen und Theologien hat die religiöse Vielfalt der Götter wohl durchaus auch etwas mit erkennbar unterschiedlichen Verhaltensprofilen der einzelnen Götter zu tun, mit einer gewissen Vielfalt an göttlichen Vorstellungen etwa von guter Ordnung und selbstverständlichen menschlichen Pflichten und mit unter Umständen sehr detaillierten göttlichen Anweisungen und grundlegenden Monopol- und Absolutheitsansprüchen.

Wie sollen diesbezüglich ganz besonders die nichtchristlichen und speziell natürlich die atheistischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung des Landes Tirol mit ihrer aus der Sicht des Landtags bestehenden Verpflichtung, neben anderen Grundlagen des Landes Tirol auch die Treue zu Gott zu wahren und zu schützen, in angemessener Weise, ohne dabei die eigenen Vorstellungen und Wünsche im Rahmen der eigenen Freiheiten und Rechte völlig außer Acht zu lassen, umgehen? Und wie könnten in dieser Perspektive die unterstützenden Hilfestellungen und Beiträge zu einem guten Zusammenleben in einer religiös und weltanschaulich vielfältigen Gesellschaft, die ein Diözesanbischof der römisch-katholischen Diözese Innsbruck hier aus dem eigenen römisch-katholischen Selbstverständnis heraus anbieten könnte, aussehen und umgesetzt werden? (Wilfried Apfalter, 3.10.2017)