Komponist und Organist Wolfgang Mitterer.


Foto: Mitterer

Graz – Wer dabei war, wird es wohl nie vergessen: Es war einer der legendären Abende des Festivals Wien Modern, als Komponist und Organist Wolfgang Mitterer 2001 auf der Großen Konzerthausorgel Friedrich Murnaus Stummfilmklassiker Nosferatu in ein wogendes Meer von Klängen tauchte, dem Instrument unerhörte Effekte abrang und das mit einem elektromusikalischen Panoptikum zahlloser Samples verband.

Ungemein perspektivenreich war sein Soundtrack, weil es eben kein Soundtrack im herkömmlichen Sinn war, sondern Mitterer die Horrorhandlung einmal plastisch illustrierte, dann aber die lineare Beziehung verließ, um bunte Assoziationen herzustellen, unerwartete klangliche Kommentare und Querverbindungen zu schaffen: ein beziehungsreiches Spiel mit Bedeutungen.

Gerade in seinen Auseinandersetzungen mit bewegten Bildern liegt eine der ganz großen Stärken des 1958 in Lienz geborenen Musikers, der etwa auch schon für den Murnau-Streifen Sunrise Ausschnitte aus der großen klassischen Orchesterliteratur von Bruckner bis Bartók gewählt und "die großen Hits live auf der Bühne resamplet" hat. Zuletzt hat er die Filmmusik für Michael Glawoggers Nachlassfilm Untitled beigesteuert.

Es war also naheliegend, den Komponisten für ein Projekt des Steirisches Herbsts zu gewinnen, das sich einem der Lieblingsfilme von Elfriede Jelinek widmet. Zwei Streifen nennt die Autorin als ihre Favoriten: Vertigo von Alfred Hitchcock und Carnival of Souls (Tanz der toten Seelen) von Herk Harvey.

Dieser Schwarzweißfilm dreht sich um die junge Organistin Mary Henry, die sich auf unwirkliche Weise darüber erstaunt zeigt, dass ihre Mitmenschen sie nicht mehr wahrnehmen. Es geht um eine Frau, die in ihrer gewohnten Umgebung verloren ist, die sich fremd im Vertrauten fühlt und auch von ihrer Umgebung als fremd wahrgenommen wird.

Für Jelinek ist sie eine Lebende, die "als Tote und wiederum als Lebendigere als alle Lebenden" erscheint. Für den Steirischen Herbst handelt es sich um einen "Film wie eine kühle Geisterhand, die einem sachte und durchaus zärtlich im Kino vom Rücksitz aus über den Nacken streicht ...".

Mitterer wird sich bei seiner Live-Improvisation wohl wieder darauf verstehen, auf die Zwischentöne des Films zu reagieren, dem Publikum unerwartete Assoziationen zu geben und ihm wohlige Schauer zu bescheren. (daen, Spezial, 29.9.2017)