Statt in Italien, Griechenland, der Türkei oder dem Sudan verbrachten wir unseren Sommer heuer in Schwarzenbach – einem Dorf in der Buckligen Welt, etwa 20 Kilometer südlich von Wiener Neustadt, direkt an der Grenze zum Burgenland. 942 Einwohner und wir – zehn Archäologen, 15, die es noch werden wollen, ein Kollege aus Norwegen, zwei Geodätinnen von der TU Wien und eine Praktikantin aus Israel. Sechs Wochen lang.

Die Fundstelle Schwarzenbach-Burg befindet sich auf dem Burgberg an einer strategisch günstigen Position am Rand der Oberpullendorfer Bucht und gilt als eine der am besten erhaltenen keltischen Wall-Grabenanlagen Österreichs. Dieses Gebiet war ein Zentrum der urzeitlichen Eisenproduktion und Verhüttung und damit ein wichtiges Produktions- und Wirtschaftsgebiet der späten Eisenzeit (2. und 1. Jh. v. Chr.). Die Anlage Schwarzenbach-Burg wird als Zentralort im Sinne eines Oppidums interpretiert, also einer frühen Stadt, die große wirtschaftliche, verkehrsgeografische und strategische Bedeutung hatte. Neben unserer Siedlung Schwarzenbach-Burg befinden sich auch weitere bekannte Siedlungen der Eisenzeit, Sopron-Burgstall und Velem-St. Vid, in dieser Gegend.

Die Grabungsfläche in Schwarzenbach im Bereich des Freilichtmuseums. Im Hintergrund zwei rekonstruierte eisenzeitliche Häuser und unser Mittagszelt.
Foto: LBI ArchPro

Archäologische Untersuchungen und Freilichtmuseum

Die Wallanlage wurde erstmals 1992 archäologisch untersucht. 1996 und 2003 bis 2008 konnte die gesamte Fläche innerhalb des Walls mittels Geomagnetik und Bodenradar prospektiert werden. Aufbauend auf diesen Prospektionsergebnissen fanden 1998 bis 2005 dann großflächige stratigrafische Forschungsgrabungen statt.

Neben den durch die Prospektionsergebnisse schon erwarteten eisenzeitlichen Gebäuden konnten im Zuge der Grabungen unter den späteisenzeitlichen Siedlungsresten auch bronzezeitliche Gebäudeteile freigelegt werden; nach den Kampagnen 2002 bis 2003 war zudem anzunehmen, dass die Fundstelle Schwarzenbach-Burg bereits während der Steinzeit besiedelt war. Heute befindet sich dort ein Freilichtmuseum, das Rekonstruktionen der keltischen Ansiedlung zeigt. Im Museumsturm gleich nebenan werden die Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen präsentiert.

Da die Gemeinde Schwarzenbach eine Erweiterung des Freilichtmuseums plant, wurden neuerliche archäologische Untersuchungen notwendig. Und hier kamen wir ins Spiel.

Die Mission 2017: 470 Quadratmeter Grabungsfläche

Die Grabung wurde als Forschungs- und Lehrgrabung von der Universität Wien in Kooperation mit dem Ludwig-Boltzmann-Institut für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie durchgeführt. Im Rahmen der Untersuchungen 2017 sollte die während vergangener Grabungskampagnen ergrabene Fläche erweitert und dabei angeschnittenen Hausgrundrisse vervollständigt werden. Ein weiteres Ziel war die Evaluierung von Siedlungsspuren, die sich in den Georadardaten abgezeichnet hatten. Sechs Wochen hatten wir Zeit. Unterstützt wurden wir von zwei Lehrgrabungen mit unterschiedlich erfahrenen Studenten – also denjenigen, die noch nie eine Kelle in der Hand hatten, und anderen, die mit vier Wochen Grabungserfahrung zu uns kamen.

Interpretation der geophysikalischen Daten. Der Grabungsschnitt 2017 befindet sich innerhalb des rot umrandeten Bereichs. Die braunen Areale kennzeichnen Gräben, Orange markiert Steinlagen, Grün steht für Gruben. Schwarz und Grau weisen auf (mögliche) Pfostengruben hin.
Foto: Daten LBI ArchPro, Interpretation Erich Nau
Motivierte Lehrgrabungsteilnehmer beim Freilegen von Schichten.
foto: LBI ArchPro
Vorsichtig werden mit dem "Oni" Funde in einer Schicht freigelegt. Die Fähnchen markieren den genauen Fundort, der anschließend mit der Totalstation eingemessen wird.
foto: LBI ArchPro

Digitale Dokumentationsmethoden

Die Grabung in Schwarzenbach wurde vollständig digital mittels Totalstation, 3D-Laserscanner und "Image-based Modelling" dokumentiert. Händisch gezeichnet wurde nur noch zur Übung. Skizzen und eine Beschreibung jeder Schicht wurden verfasst; zusätzlich zu den Einträgen im Grabungstagebuch und den Protokollen zu jeder einzelnen Dokumentationsmethode. Die Funde wurden vermessen, organische Materialien und Knochen für C-14-Proben entnommen, sowie von jeder Schicht eine Erdprobe zur Suszeptibilitätsmessung. All diese unterschiedlichen Daten wurden dabei laufend in einem Geoinformationssystem zusammengeführt.

Unsere Dokumenteure von der TU Wien beim Fotografieren eines Bereichs mit einer auf einer Stange angebrachten Kamera. Die Maßbänder dienen dazu, den Abstand zwischen zwei Fotos genau einzuhalten. Die millimetergenauen, entzerrten Orthofotos wurden unter anderem zur Definition von Schichtgrenzen verwendet.
foto: LBI ArchPro
Der Mitarbeiter des Tages, unser schneller und hochpräziser Laserscanner neben Nico, der ihn bedient.
foto: LBI ArchPro
Hanna beim Ausfüllen eines Schichtblatts, auf dem die Merkmale einer Ablagerung, die darin enthaltenen Funde und Interpretationsmöglichkeiten festgehalten werden.
foto: LBI ArchPro

Klassenzimmer als Schlafzimmer

Der Grabungsalltag ist durchorganisiert und einfach. Wir schlafen in der örtlichen Volksschule in drei Klassenzimmern, die während des Sommers nicht benützt werden, auf Isomatten, Matratzen und in Schlafsäcken. Ferienlagerstimmung pur! Privatsphäre gibt’s durch Schultischbarrikaden, gegen Schnarcher hilft das allerdings nicht.

Der Tag beginnt früh mit einem herzhaften Frühstück um 7 Uhr. Danach geht's rauf auf den Burgberg zum Grabungsbereich. Arbeitsschluss ist generell um 17 Uhr, öfter später, selten früher. Abends bekocht uns der wissenschaftliche Grabungsleiter Wolfgang Neubauer höchstpersönlich, oder es geht ins Wirtshaus. Manchmal gibt's Lagerfeuerromantik mit Gitarrenmusik.

Wo hört eine Schicht auf, wo beginnt eine neue?

Das Team ist eingespielt, jeder hat fixe Aufgaben: das Vermessen mit der Totalstation, das Fotografieren der Befunde und Funde, das Laserscannen, die Verteilung der Schichtnummern, das Anfertigen der Skizzen, die Fundverwaltung. Und immer kümmert sich auch jemand als Tutor um die Lehrgrabungsteilnehmer.

Natürlich herrscht in den ersten Tagen ein wenig Chaos. 15 zum Teil unerfahrene Studenten müssen in die Abläufe eingebunden werden. Wer macht was wann wo? Und wie verwendet man eigentlich eine Kelle, ein Oni, eine Spitzhacke? Nach drei Wochen wendet sich die Aufmerksamkeit generellen Problemen der Archäologie zu. Wir sprechen verschiedene Interpretationsmöglichkeiten für die jeweilige Befundsituation durch und sinnieren darüber, ob zwei Steine schon ein Haus ergeben oder nicht. Die Schichten, die wir in der umgekehrten Reihenfolge ihres Ablagerungszeitpunkts ausgraben, sind zumeist braun – hellbraun, mittelbraun, gräulich braun –, sprich, alles sieht irgendwie gleich aus, und es ist gar nicht so leicht zu erkennen, wo eine Schicht aufhört und eine neue beginnt.

Fazit nach sechs Wochen

Nach sechs Wochen schweißtreibender Arbeit sind wir um einige Erkenntnisse reicher: Gruben stellen sich in der Regel immer als tiefer heraus, als man denkt, ein Usisivač auf der Grabung ist doch ziemlich praktisch, und Werkzeug und kleinere Wunden können auch mit Gaffatape behandelt werden.

foto: LBI ArchPro
Bronzezeitliche Keramik nach der Reinigung.
foto: Universität Wien
Verschiedene Steinfunde.
foto: Universität Wien

Archäologisch gesehen war die Grabung ein Erfolg: Wir konnten Häuser aus dem Neolithikum, der Bronze- und der Eisenzeit ergraben, eines davon wies sogar einen kleinen Schmelzofen auf. Daneben einige (noch) undatierte Pfostenstellungen, die ebenfalls Hausgrundrisse ergeben. An Funden konnten wir Steinbeile, eine Pfeilspitze, eine Glasperle, Bronzefibeln und viel Keramik bergen, kurz: viele Fragen und jede Menge Arbeit für den Winter! (Lisa Aldrian, 28.9.2017)