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Dass Pinguine flugunfähige Vögel sind, vergisst man ganz schnell, wenn man sie durchs Wasser zischen sieht.
Foto: REUTERS/Andrew Winning

Tokio – Erst unter Wasser sind Pinguine wirklich in ihrem Element: Aus den unbeholfen herumwatschelnden Tieren, als die wir Pinguine kennen, werden dann flinke Jäger, die auf ihren Beutezügen wie Torpedos durchs Wasser pflügen.

Hier erhält auch ihre typische Gefiederzeichnung erst ihren Sinn: Der schwarze Rücken verschwindet von oben betrachtet vor den dunklen Meerestiefen – umgekehrt fungiert der weiße Bauch für alle Tiere, die einen Pinguin von unten sehen, als Tarnung vor der hellen Meeresoberfläche. Diese sogenannte Konterschattierung verbirgt Pinguine sowohl vor ihrer Beute als auch vor größeren Jägern, vor denen sie sich selbst in Acht nehmen müssen.

Das Beutespektrum

Zur üblichen Nahrung gehören je nach Pinguinart entweder Fische oder kleine Krebstiere, bei Gelegenheit werden auch Tintenfische erbeutet. Erst jetzt aber zeigte eine im Fachmagazin "Frontiers in Ecology and the Environment" veröffentlichte Studie, dass Pinguine eine weitere Nahrungsquelle nutzen: Quallen und ähnliche Tiere.

Das kam als Überraschung. Tiergruppen, die sich auf diese vergleichsweise proteinarme Nahrungsquelle spezialisiert haben, haben in der Regel nämlich einen langsamen Metabolismus – etwa Meeresschildkröten. Für die agilen Pinguine mit ihrer hohen Stoffwechselrate schien die karge Kost unzureichend. Diese Annahme haben die Vögel aber nun widerlegt – und zwar selbst: Mit Mini-Kameras versehene Pinguine filmten Artgenossen auf der Quallenjagd.

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Ein internationales Forscherteam versah im Rahmen eines Langzeitprojekts insgesamt 106 Pinguine mit Kameras. Die Tiere stammten aus sieben Kolonien am Rand des Antarktischen Ozeans und gehörten vier verschiedenen Spezies an: Adelie-, Gelbaugen-, Magellan- und Zwergpinguine. Obwohl jede Kamera nur einen Tauchgang lang hielt, konnten so fast 200 Fressattacken auf Quallen festgehalten werden.

... oder genauer gesagt: auf "Gelata". Dieses Kunstwort schuf das Team um Jean-Baptiste Thiebot von Japans nationalem Institut für Polarforschung, um Tiergruppen zusammenzufassen, die einander äußerlich ähneln, obwohl sie nicht miteinander verwandt sind.

Gelata-Sortenvielfalt

Dazu gehören Nesseltiere (Cnidaria), zu denen unter anderem Schirm- und Würfelquallen zählen, aber auch Rippenquallen (Ctenophora), deren deutscher Name darüber hinwegtäuscht, dass sie mit den "anderen" Quallen nichts zu tun haben. Eine dritte und erneut vollkommen andere Gelata-Gruppe sind Salpen. Dabei handelt es sich um Verwandte von uns Wirbeltieren, auch wenn man ihnen das nicht ansieht. Sie bilden Kolonien, die die Form von Glocken, Röhren oder Rädern aus Gallerte annehmen und mehrere Meter groß werden können.

Thiebots Team erforscht, ob die Gelata neben ihrer oberflächlichen Ähnlichkeit auch Gemeinsamkeiten hinsichtlich ihrer ökologischen Rolle haben. Zumindest die Pinguine machen aber eine klare Unterscheidung, wie ihre selbstgeschossenen Filme zeigten. Sie erbeuteten ausschließlich Cnidaria und Ctenophora – wenn auch in einer sehr breiten Palette von 187 verschiedenen Spezies.

Dieser Fahnenqualle steht eine unangenehme Begegnung mit einem Adeliepinguin bevor.
Foto: Pierre Chevaldonné / CNRS / IPEV

Salpen hingegen interessierten sie nicht, obwohl sie vor Ort gewesen wären, wie die Aufnahmen zeigten: Möglicherweise deshalb, weil Salpen sich anders als die fleischfressenden Quallen von Plankton ernähren und deshalb eine noch dürftigere Proteinquelle abgeben würden. (jdo, 2. 10. 2017)