Werden Autos nicht bewegt, steht der "Wert" Auto still und rostet ungenutzt vor sich hin. Andere Menschen können einspringen. So entsteht aus "Nichts" Einkommen.

Foto: 123rf.de/Miroslav

Carsten Brzeski ist Chefökonom bei der ING-DiBa.

Foto: ing-diba

Die Sharing Economy ist mittlerweile allgegenwärtig, auch wenn die meisten Menschen mit dem Begriff selbst nichts anfangen können. Viele haben schon Fahrzeuge in Großstädten miteinander geteilt, mieten die Wohnungen anderer (oder haben irgendwann einmal eine Nacht in einer Bed-&-Breakfast-Pension verbracht) und nehmen fremde Menschen – durch Mitfahrzentralen organisiert – im Auto mit. Trendforscher sehen in der Sharing Economy das "nächste große Ding".

Was ist die Sharing Economy?

Im Grunde genommen geht das Prinzip der Sharing Economy zurück auf nachhaltiges Wirtschaften. Es geht um einen bewussteren Umgang mit Rohstoffen, Materialien und natürlichen Gebrauchsgütern – den Gegenentwurf zur Wegwerfgesellschaft. Gebrauchsgüter und mittlerweile auch Dienste werden nicht mehr nur zum Eigenzweck gekauft, sondern gemeinsam gekauft oder gemeinsam benutzt und verliehen. Dabei ist die Sharing Economy ein Phänomen des Internets und der Digitalisierung. Teilen, Leihen oder Vermieten unter Privaten gibt es natürlich schon Ewigkeiten. Das Internet hat jetzt aber dafür gesorgt, dass Transaktionskosten geringer werden und Suchende einander besser und schneller finden.

Vor dem Internet war das Ausleihen eines Fahrrads, eines Schraubenschlüssels oder eines Parkplatzes natürlich auch schon möglich, nur war der Aufwand die Mühe nicht wert. Jetzt bringen Websites wie AirBnB Mieter und Vermieter schneller und besser in Kontakt, zeigen Smartphones das "Teil-Auto", das am nächsten dran geparkt steht, machen Online-Bezahlungssysteme die Abwicklung einfacher und verbessern Social Networks die Möglichkeit, das Gegenüber einzuschätzen. Hinzu kommt der allgemeine Trend, dass die jüngere Generation, die Millennials, scheinbar ein neues Besitzdenken hat, nämlich Besitz weniger wichtig findet.

Und was bringt sie?

Rein theoretisch betrachtet macht die Sharing Economy Sinn, da sie Unterauslastung von Kapazitäten angreift und aus eigentlich nichts Geld macht. Zimmer, die doch leer stehen, werden jetzt vermietet. Autos, die doch nur auf dem Parkplatz stehen, können von anderen benutzt werden. Der Besitzer verdient so unerwartetes Geld, der Benutzer spart Geld, da Güter und Dienste billiger zu haben sind als von den kommerziellen Anbietern. So ist die Sharing Economy, wie wir sie heute verstehen, ein weiteres Phänomen des Internets, von dem vor allem der Verbraucher profitiert.

Kinderschuhe

Bevor man aber in Euphorie verfällt muss man die Bedeutung der Sharing Economy relativieren. In Europa steckt sie noch in den Kinderschuhen. Auch in Österreich. Eine aktuelle ING-Studie zeigt, dass bisher nur knapp 19 Prozent aller Österreicher überhaupt von dem Begriff Sharing Economy gehört haben. Rund 48 Prozent aller Österreicher könnten sich einen Urlaub in privat vermittelten Ferienhäusern und dergleichen vorstellen. Für Car Sharing sind nur knapp 29 Prozent zu begeistern. Das ist die Konsumseite. Aber wären Österreicher auch bereit, aktiv auf der Angebotsseite einzusteigen? Hier fällt auf, dass weniger als 20 Prozent der Österreicher bereit wären, ihr eigenes Auto gegen Bezahlung mit anderen zu teilen. Ihre Wohnung, Couch oder nur ein Zimmer würden dagegen fast 47 Prozent aller Österreicher zum Sharing anbieten. Wohnung ja, Auto nein. Es scheint, als ob in Österreich ein altes Sprichwort – leicht abgeändert – gilt: My car is my castle.

Nette Spielerei, aber noch kein neuer Trend

Die Sharing Economy steckt also noch in den Kinderschuhen. Nur ein Trend, der von einer kleinen Gruppe übernommen wird? Eine Möglichkeit, sich von der breiten Masse zu unterscheiden oder eine Art Lebensmotto? Werden wir alle in zehn oder zwanzig Jahren wie wild Güter untereinander tauschen? Wenn die jetzige Generation der Millennials selbst einmal Kinder hat, wollen sie aber wahrscheinlich doch ein eigenes Familienauto haben und nicht mehr mit Kind und Kegel den kleinen Stadtflitzer teilen. (Carsten Brzeski, 9.10.2017)