Christian Kern und Ulrike Lunacek: ein höfliches Duell.

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Wien – An sich stehen die Umfragen für beide Parteien so, dass ihre Kandidaten leicht die Nerven wegschmeißen könnten. Dennoch saßen sich Christian Kern und Ulrike Lunacek am Dienstagabend betont beherrscht und gesittet gegenüber. Von wegen, Politik bestehe nur aus Wadlbeißerei und Anschütten: Ein gelegentliches "Bitte fair bleiben!" im höflichen Tonfall war schon das Konfrontativste, was rhetorisch im ORF-Wahlduell zu erleben war.

Die EU war Thema im TV-Duell zwischen den Spitzenkandidaten der SPÖ und der Grünen, Christian Kern und Ulrike Lunacek. Es war keine wirklich unfreundliche Konfrontation zwischen den beiden linken Parteien. Beitrag aus der "ZiB 2" am Dienstag.
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Angriffe in der Sache gingen mehrheitlich auf das Konto der Grünen, so etwa beim Thema Ceta: Kern habe den handelspolitischen Teil des Abkommens mit Kanada gutgeheißen, wies Lunacek hin, doch genau dieser habe der kanadischen Lebensmittelindustrie die Tür nach Österreich geöffnet – zum Schaden heimischer Betriebe und Arbeitsplätze.

Ihr sozialdemokratischer Kontrahent mahnte zu einer differenzierteren Sicht. Abgesehen davon, dass das Abkommen zwei Wochen vor seinem Antritt als Kanzler fertig gewesen sei: Ceta sei der Versuch der Europäer, handelspolitische Spielregeln zu gestalten, ehe es die Chinesen tun, argumentierte Kern. Die umstrittenen Handelsschiedsgerichte etwa werde er aber verhindern, "solange ich Bundeskanzler bin".

Um diese Debatte zu analysieren, sind der Politikwissenschafter Peter Filzmaier und für einen ersten Faktencheck ORF-Reporterin Ulla Kramar-Schmid im "ZiB"-Studio.
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Anderer Clinch: die Idee, im Ausland lebenden Kindern von in Österreich arbeitenden EU-Bürgern die Familienbeihilfe zu kürzen. Die Leistung solle sich ans ortsübliche Niveau anpassen, sagt Kern: Wer in der Slowakei lebt, solle nur das slowakische Niveau bekommen. Damit würden jene Betreuerinnen aus dem Osten getroffen, die sich in Österreich um alte Menschen kümmern, kontert Lunacek: Weil die Familienbeihilfe für diese Gehaltsbestandteil sei, werde solch eine Kürzung die Pflege verteuern. Dann aber doch noch Einigkeit: Dass der Plan mangels Unterstützung in der EU wohl eh nicht umgesetzt werde, glaubt Kern wie Lunacek.

Am längsten matchten sich die Kandidaten beim Thema Umweltpolitik. Lunacek ist für eine höhere Besteuerung von Diesel und einen gesetzlich verpflichtenden Ausstieg aus Verbrennungsmotoren bis 2030, Kern will Ersteres nicht und Letzteres nur als Ziel. Statt Verboten wolle er Förderungen und Anreize: Da habe die SPÖ einen grundsätzlich anderen Zugang als die Grünen.

Glyphosatverbot geplant

Ehe Kern und Lunacek zum Abschluss noch taktisch kalkulierte Ansagen – "Wer Schwarz-Blau verhindern will, muss SPÖ wählen" gegen "Wer SPÖ wählt, könnte mit Rot-Blau aufwachen" – anbrachten, merkte die Grüne süffisant an: Sie wünsche sich jeden Dienstag ein TV-Duell, wenn das die umweltpolitischen Ambitionen der SPÖ fördere. Worauf Lunacek anspielte: Wenige Stunden vor dem Fernsehauftritt hatte Kern verkündet, sich für ein EU-weites Verbot des umstrittenen Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat einsetzen zu wollen. Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter solle vom Parlament den bindenden Auftrag erhalten, auf EU-Ebene gegen eine Wiederzulassung zu stimmen. Reaktion des ÖVP-Politikers: Er habe kein Problem damit, zumal ohnehin keine Zustimmung geplant gewesen sei. (Gerald John, 26.9.2017)