Budapest/St. Pölten – Der ungarische Regisseur Arpad Schilling (43), der am 1. Dezember sein neuestes Theaterprojekt am Landestheater Niederösterreich zur Uraufführung bringt, gilt dem Ausschuss für Nationale Sicherheit des ungarischen Parlaments als "potenzieller Vorbereiter staatsfeindlicher Aktivitäten". In St. Pölten ist man über diese Entwicklung zutiefst besorgt.

Laut Medienberichten sind neben Arpad Schilling auch der Mitbegründer von Schillings Theatertruppe "Kretakör", Marton Gulyas, sowie der Bürgerrechtler Gabor Vago kürzlich von Szilard Nemeth (53), dem stellvertretenden Vorsitzenden des Nationalen Sicherheitsausschusses sowie der regierenden Fidesz-Partei, als "Anstifter" genannt worden.

"Die Sache ist gleichzeitig komisch und beängstigend. (...) Der Tag ist gekommen, endlich habe ich den prestigeträchtigsten Orden der Fidesz-Regierung erhalten: die Medaille des Verräters!", reagierte Schilling laut dem "Pester Lloyd" auf Facebook auf die Angriffe. "Schilling räumte ein, dass 'meine Verbrechen, die mich zum subversiven Subjekt werden ließen', darin bestanden, ein Referendum gegen Korruption beantragt und mit einer Demo die Ruhe in Orbans-Heimatort Felcsut gestört zu haben", so die deutschsprachige Internetzeitung.

Besorgnis erregende Unterhöhlung rechtsstaatlicher Prinzipien

"Die Tatsache, dass kritischer Geist und das Stellen unbequemer Fragen in einer demokratischen Gesellschaft seitens Mitgliedern einer Regierung als 'Vorbereitung staatsfeindlicher Aktivitäten' gewertet werden, halten wir für eine zutiefst Besorgnis erregende Unterhöhlung rechtsstaatlicher Prinzipien. Die Freiheit der Kunst ist, ebenso wie das Recht auf freie Meinungsäußerung, in unseren Augen nicht verhandelbar und in jedem Fall zu schützen", betonte Marie Rötzer, Künstlerische Leiterin des Landestheater Niederösterreich, am Dienstag in einem Statement. Man sei stolz, dass der Regisseur, "dessen Engagement für eine freie Zivilgesellschaft sich auch in seinen künstlerischen Arbeiten widerspiegelt", seine neue Arbeit in St. Pölten herausbringen werde.

Seit vielen Jahren arbeitet Arpad Schilling regelmäßig in Österreich. 2005 begeisterte er mit einer radikalen "Hamlet"-Bearbeitung im Burgtheater-Kasino. Im gleichen Jahr gastierte "Kretakör" mit einer "Möwe" im Westentaschenformat bei den Wiener Festwochen, wo er 2012 wiederkehrte. "Ich bin jetzt ein Aktivist", nahm Schilling damals im APA-Interview auf die erschwerten Rahmenbedingungen für kritische, freie Theaterarbeit in Ungarn Bezug. "Aber natürlich bin ich weiterhin auch Künstler." 2014 arbeitete er beim steirischen herbst, 2016 brachte er sein Stück "Eiswind" im Akademietheater zur Uraufführung – ein kurzweiliger, plakativer Horrortrip durch Europas Nationalismus. (APA, 26.9.2017)