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Christian Lindner steht bei einer Vertiefung der Eurozone auf der Bremse.

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Berlin/Wien – Kommt ein radikaler Kurswechsel in der europäischen Wirtschaftspolitik, oder bleibt in Berlin alles beim Alten? Nach den deutschen Bundestagswahlen diskutierten Bankanalysten und Ökonomen von Lissabon bis Riga hitzig über diese Frage. Mit der FDP und der AfD haben zwei Parteien stark dazugewonnen, die eine tiefere Integration der Eurozone vehement ablehnen. Die Chancen stehen gut, dass die Liberalen künftig sogar in einer Koalition mitregieren.

Das könnte zu neuen Konflikten zwischen Nord- und Südeuropa führen, mutmaßten einige Großbanken in ihren Einschätzungen am Montag. Dazu passend sind auch die Risikoaufschläge, die Italien, Spanien und Portugal am Markt zahlen müssen, um an Kredite zu kommen, etwas gestiegen.

FDP-Chef Christian Lindner hatte im Wahlkampf tatsächlich eine klare, aus Sicht Südeuropas harte Linie vorgegeben.

Ein gemeinsames Budget für die Eurozone, wie dies Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verlangt, lehnt er kategorisch ab. Einem Schuldenschnitt für Griechenland würde die FDP zustimmen – aber nur, wenn das Land den Euro für bestimmte Zeit verlässt.

Finanzministerium ist heiß begehrt

Heikel wird das zusätzlich, weil in Berlin das Postenkarussell sich schon vor den Wahlen zu drehen begonnen hat. Heiß begehrt ist vor allem das Amt von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Vor Ausbruch der Krise galt für Juniorpartner in einer Regierung das Außenministerium als prestigereichster Posten, der zu holen ist. Seit 2008 haben sich Aufmerksamkeit und Einfluss in Richtung Finanzminister verschoben.

Wie die Zeit berichtete, hatte die CDU bereits 2013 in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD viele Zugeständnisse machen müssen, um das Finanzministerium zu halten. Ob das Manöver wieder gelingt, ist fraglich, zumal die FDP im Wahlkampf bereits Anspruch auf das Ministerium erhoben hat.

Wobei einige Ökonomen bezweifeln, dass eine Regierungsbeteiligung der FDP viel ändern wird – selbst wenn Christian Lindner ins Finanzministerium aufrückt. Zsolt Darvas vom Brüsseler Thinktank Bruegel argumentiert, dass schon die bisherige deutsche Regierung ohne FDP nicht bereit war, einem wirklichen Umbau der Eurozone zuzustimmen. Dieser Kurs dürfte fortgeführt werden.

Streit über Milliardenbudget

Frankreichs Präsident Macron will heute, Dienstag, seine Reformvorschläge für den Euroraum konkretisieren. Als wahrscheinlich gilt, dass er dabei die Schaffung eines gemeinsamen Fonds oder Budgets ins Spiel bringt.

Damit sollen Investitionen erleichtert werden, um im Idealfall die Ungleichgewichte im Währungsraum abzubauen. Der Fonds könnte zum Beispiel Bahnprojekte in Italien oder Straßenbau in Spanien finanzieren. Italien und Spanien würde Geld bekommen, ohne dass ihre Staatsschulden steigen.

Voraussetzung wäre, dass die Euroländer gemeinsam bereit sind, Steuergeld einzusetzen, oder sich Finanzmittel vom Markt holen. Besonders auf finanzstarke nordeuropäische Länder kämen größere Risiken zu. Genau da stehe die CDU aber selbst auf der Bremse, sagt Ökonom Darvas. Auch in den Niederlanden und Österreich werden Budgetinitiativen skeptisch gesehen.

Damit ein Fonds etwas bewegt, müsste er laut Ökonomen hunderte Milliarden Euro ausgeben können. Mit Ausnahme von Frankreich und Italien will das kaum jemand, sagt Darvas. Andere Reformvorschläge, etwa die Schaffung einer gemeinsamen Einlagensicherung für Banken, sind aus denselben Gründen strittig.

Dass der Posten eines ständigen Eurofinanzministers geschaffen wird, hält Darvas für möglich. Dieser dürfte aber keine Entscheidungskompetenzen erhalten, sondern soll eher Verhandlungen zwischen den Euroländern koordinieren, glaubt der Ökonom. (András Szigetvari, 26.9.2017)