"Die Sonnensucher" (1947): Anton Koligs bunt leuchtender Entwurf für ein Glasfenster des Stephansdoms wurde nicht ausgeführt.

Foto: Leopold-Museum / Manfred Thumberger

Wien – Man mag es kaum glauben, aber in der Tat ist im Leopold-Museum die erste, ausschließlich Anton Kolig gewidmete Retrospektive in Wien seit 1948 zu sehen. Es kann also durchaus von einer Wiederentdeckung seines Werks gesprochen werden, obwohl Kolig – Mitbegründer des Nötscher Kreises – als einer der wichtigsten Vertreter der österreichischen Avantgarde vor 1914 gilt.

Rund 60 Gemälde und 50 Arbeiten auf Papier sind in der von Franz Smola kuratierten Schau zu sehen, ein Drittel der malerischen Werke stammt aus der Sammlung des Hauses. Während Kolig hauptsächlich bekannt ist für seine männlichen Aktfiguren – der Jüngling mit Amor (1911) etwa ist sonst in der Dauerausstellung zu sehen – legt die Retrospektive Wert darauf, alle Facetten seines OEuvres darzustellen.

Einfluss des Wiener Umfelds

Die frühen Gemälde des 1886 in Neutitschein in Mähren geborenen Künstlers zeigen deutlich den Einfluss seines Wiener Umfelds. Zwischen 1904 und 1912 studierte er an der Kunstgewerbeschule und der Akademie der bildenden Künste, lernte Oskar Kokoschka und die Nötscher Franz Wiegele und Sebastian Isepp kennen.

Das Porträt der Mutter des Künstlers mit Jardinière aus dem Jahr 1911 mutet durch die geometrische Form der Figur secessionistisch an, man fühlt sich an Carl Moll, aber auch Koloman Moser oder Gustav Klimt erinnert.

Zwischen 1912 und 1914 kann Kolig einen Studienaufenthalt in Paris ergattern, wo er die alten Meister studiert und die französische Malerei kennenlernt. Es sind eben diese Zeitgenossen, insbesondere Paul Cézanne und Henri Matisse, unter deren Einfluss Koligs Haupt- und Spätwerk steht. Die leuchtenden, teilweise geradezu grellen Farben dominieren insbesondere sein Spätwerk, etwa die Entwürfe für ein nicht realisiertes Fenster des Stephansdoms. Der expressive Pinselstrich, der vielerorts nahe an die Abstraktion führt, ist dagegen schon früh Koligs Markenzeichen.

Die Farbe war stets Zentrum seines künstlerischen Schaffens: In einem Brief bezeichnet er seine Bilder als "Farbgedanken", die um ihn kreisen, seine Studenten, die er zwischen 1928 und 1944 an der Stuttgarter Akademie der Bildenden Künste unterrichtet, nennt er "Apostel der Farbe".

Farbrausch statt Politik

Es ist ein Verdienst dieser Ausstellung, dass diese Stuttgarter Jahre, die durch den Quasirauswurf mit großer Enttäuschung Koligs und seinem Rückzug nach Nötsch endeten, nun beleuchtet werden. Julia Müller hat sie in ihrem Beitrag zum Katalog aufgearbeitet, ebenso erstmals publiziert wurde ein umfassendes Ausstellungsverzeichnis.

Die Darstellung des menschlichen Körpers begleitete Kolig durch alle Schaffensphasen, insofern ist es richtig, dass das Leopold-Museum in seinem neugeschaffenen Grafikkabinett auch dessen Studienblätter zeigt. Im Vergleich mit den Haupträumen erkennt man spätestens hier das "Farbgenie" Anton Kolig, denn gegen die kolorierten Skizzen wirken die restlichen geradezu fad.

Es lohnt sich allemal, Koligs Werk wiederzuentdecken, auch wenn es aus heutiger Sicht etwas brav wirkt. "Wo Kokoschka den Menschen infrage stellt, ist Kolig versöhnlich. Er stellt niemanden infrage", so Smola. Anstelle eines politischen oder philosophischen Anspruchs steht bei ihm: der Farbrausch. (Kathrin Heinrich, 26.9.2017)