Eine Blutprobe bringt Sicherheit: infiziert oder nicht infiziert mit dem Syphilis-Erreger. Wenn ja, beginnt eine Antibiotikatherapie.

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Die Haut ist als erste betroffen. Dort, wo die Keime eindringen, bildet sich ein hässliches Geschwür. Meistens entstehen diese im Volksmund "harter Schanker" genannten Läsionen an Penis oder Schamlippen, manchmal aber auch im Mund oder am After. Der Ort hängt von den Sexualpraktiken ab. Das entzündete Gewebe dient dem Syphiliserreger Treponema pallidum ssp. pallidum als Brutstätte. Von hier ausgehend dringt er tiefer in den Körper ein und, wenn sich die Gelegenheit bietet, geht er auch auf den Wirt über.

Syphilis ist eine oft auszehrende, mitunter auch tödliche Geschlechtskrankheit. Mediziner unterteilen ihren Verlauf grundsätzlich in vier unterschiedliche Phasen. Die Symptome sind vielfältig und zum Teil leicht mit den Auswirkungen anderer Leiden zu verwechseln. Sie reichen von den erwähnten Geschwüren über masernartige Ausschläge bis hin zu geistiger Verwirrung und Leberschäden. Eine eindeutige Diagnose gelingt am besten durch einen Antikörpertest. Zum Glück lässt sich der Erreger vor allem in den Frühstadien gut mit Penicillin bekämpfen. Gegen dieses älteste von Ärzten verwendete Antibiotikum hat Treponema pallidum erstaunlicherweise noch keine Verteidigungsmöglichkeiten entwickeln können, gegen das Antibiotikum Azithromycin dagegen sind viele Stämme bereits resistent.

Renaissance des Bakteriums

Den guten Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten zum Trotz ist Syphilis seit gut zehn Jahren wieder auf dem Vormarsch, und zwar vor allem in der männlichen homosexuellen Szene. Man sieht dort einen sehr deutlichen Anstieg der Infektionsraten, erklärt der Mediziner Khalil Ghanem von der Johns Hopkins University in Baltimore. "Es ist eine weltweite Epidemie." Inzwischen jedoch verschaffe sich die Seuche auch verstärkt Zugang zur weiblichen Bevölkerung. Neuen, noch unveröffentlichten Daten des Center for Disease Control (CDC) zufolge nahm in den USA die Zahl der syphilisinfizierten Frauen zwischen 2015 und 2016 sogar um 35 Prozent zu, berichtet Ghanem und findet das"beunruhigend".

Die Renaissance der Krankheit scheint gewissermaßen im Kielwasser von HIV zu erfolgen. Männer, die sich mit dem Aidsvirus angesteckt haben, sind relativ oft auch Syphilisträger. Manche Fachleute sehen einen möglichen Zusammenhang mit dem Einsatz von hocheffizienten, antiretroviralen Therapien, den sogenannten HAART. Die verwendeten Medikamente retten Millionen HIV-Infizierten das Leben, könnten vielleicht aber auch deren Immunsystem so beeinflussen, dass sich Treponema pallidum leichter im Körper ausbreiten kann.

Sexuelle Netzwerke

Khalil Ghanem betrachtet solche Vermutungen allerdings skeptisch. Die Ursache für das gemeinsame Auftreten beider Krankheitserreger sei wohl eher im Verhalten der Betroffenen zu suchen. In sexuellen Netzwerken mit einem hohen Grad an Promiskuität können sich die Keime besonders schnell ausbreiten. Abgesehen davon nutzen viele Szeneangehörige antiretrovirale Präparate als Prophylaxe gegen eine mögliche HIV-Infektion und verzichten dann gerne auf Kondome. Ghanems eigenen Beobachtungen zufolge neigen auch mit HAART behandelte HIV-Infizierte eher zu ungeschütztem Sex. Den Syphilisbakterien können die Medikamente jedoch nichts anhaben.

"HIV hat den Großteil seines Schreckens verloren", meint Martin Hoenigl, Forscher an der Medizinischen Universität Graz und Erstautor einer Studie zum Risikoverhalten der Gay-Community von San Diego. Rund die Hälfte der Teilnehmer eines dortigen Präventionsprogramms gab an, Analverkehr ohne Kondom zu praktizieren. So steigt natürlich auch das Risiko für Syphilis. Nicht nur die Patienten, auch behandelnde Ärzte sind sich dieser Gefahr oft nicht ausreichend bewusst, betont Hoenigl. Letztere können Treponema-Infektionen deshalb zu spät erkennen. "Testen und Aufklären ist somit das Wesentliche."

Sexualparnter kennen

Eine erhöhte Akzeptanz von Präservativen wäre entscheidend, um sowohl HIV wie auch Syphilis und andere Geschlechtskrankheiten einzudämmen. Zu diesem Zweck arbeiten Experten der Emory University in Atlanta an der Entwicklung von verbesserten, passgenauen Kondomen.

Spezielle Apps sollen zudem gezielte Informationsarbeit leisten. Die weitverbreitete Nutzung von Smartphones erschwert allerdings auch die Bekämpfung von Neuinfektionen, wie Ghanem erläutert. Wer sich angesteckt hat, sollte dies möglichst schnell erfahren, ebenso wie seine Sexualpartner. Doch die praktisch anonyme Kontaktaufnahme über Dating-Apps mache es schwieriger, letztere ausfindig zu machen. Man kennt mitunter noch nicht mal deren Namen, sagt Ghanem. "Jeder in einer Risikogruppe sollte sich deshalb alle drei Monate testen lassen." (Kurt de Swaaf, 26.9.2017)